Die ehemalige Zisterzienserabtei in Walderbach war der richtige Schauplatz des 8. Dialektologischen Symposiums im Bayerischen Wald: Als geschichtsträchtiger Ort bildete sie die passende Kulisse für die Tagung der rund 30 internationalen Dialektforscherinnen und -forscher. Denn wer in die Geschichte einer Sprache eindringen will, kommt an ihren Dialekten nicht vorbei.
Die Organisatoren von der Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft hatten ein Thema mit aktuellem Bezug gewählt: „Dialekt • unterwegs – Varietäten im Zeichen von Globalisierung und Migration“ – und damit den Rahmen bewusst weit gezogen. Christian Ferstl, der Vorsitzende der Schmeller-Gesellschaft, brachte das Thema auf den Punkt: „Was passiert mit der angestammten Sprache eines Menschen, wenn er unterwegs ist? Nimmt er sie mit oder legt er sie ab?“ Peter Kaspar, ebenfalls Vorstandsmitglied der Schmeller-Gesellschaft, unterstrich in seinem Impuls zur Eröffnung der Tagung die Relevanz der Fragestellung: „Sprachen und damit auch Dialekte sind fortwährend unterwegs und insoweit zwangsläufig Veränderungen unterworfen, die mehr Möglichkeiten bieten, als auf den ersten Blick ersichtlich sind. Aufgabe von uns Sprachwissenschaftlern sollte es sein, diese Übergänge zu dokumentieren und auszuwerten.“
Das gute Dutzend Vorträge des Symposiums hatte dabei nicht nur das Bairische zum Inhalt. So untersuchte etwa der Göttinger Linguist Dieter Stellmacher die niederländische mittelalterliche „Migration“ nach Norddeutschland und ihre Folgen für den Umbau niederdeutscher Sprachlandschaften, während der bekannte Regensburger Dialektologe Ludwig Zehetner das System bairischer Richtungsadverbien wie auffi, owi, eini, ummi erläuterte. Aus den USA wurde Christopher J. Wickham mit seinem Vortrag „Dialekt unterwegs: Produktive Spannungen in literarischen Dialekttexten“ zugeschaltet. Boris Blahak von der Westböhmischen Universität Pilsen, die zugleich als Mitveranstalter des Symposiums fungierte, beließ es daneben nicht nur bei der Frage „Wie bringt man das Bairische zurück nach Böhmen?“, sondern zeigte in seinem Beitrag auch konkrete Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Kommunikation im interregionalen Kontext auf.
Damit knüpfte er inhaltlich an die zu Beginn der Veranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellte Kooperationsvereinbarung zwischen der Schmeller-Gesellschaft und der Philosophischen Fakultät der Westböhmischen Universität Pilsen an, die im letzten Jahr unterzeichnet worden war und die Bereiche Forschung, (Sprach-)Kultur, Bildung und Begegnung umfasst. Bei der Präsentation der Vereinbarung hatte Blahak konkret die Arbeitsbereiche Dialektologie, Dialekt und Bildung/Schule, Förderung und Erforschung von Regionalsprache im bairischen Kontext sowie bairisch-tschechischer Sprachkontakt genannt, dazu als potentielle Arbeitsformen Begegnungsseminare, Ausstellungen und Exkursionen. Wie wichtig der Schmeller-Gesellschaft ihrerseits diese Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist, zeigt laut Vorsitzendem Ferstl alleine schon die Tatsache, dass mit dem Koordinator für die Kooperation mit der Pilsner Uni extra ein neuer Posten geschaffen wurde, den fortan Peter Kaspar bekleidet.
Neben dem wissenschaftlichen Austausch blieb auch noch genügend Zeit für themengerechte Unterhaltung. Dafür sorgte das Abendprogramm, in dem die „Målaboum“ Richard und Vojtĕch Šulko aus dem böhmischen Netschetin Mundarttexte, Gedichte und Egerländer Volkslieder zu Gehör brachten.
Besonders erfreut zeigten sich alle Teilnehmer darüber, nach der Corona-Zwangspause endlich wieder persönlich zusammenkommen zu können. Almut König vom Fränkischen Wörterbuch brachte es auf den Punkt, als sie bemerkte: „Man braucht einfach ab und zu solche Frischzellenkuren, um mal wieder neue Eindrücke zu gewinnen und über den eigenen Tellerrand zu schauen.“
Die 1979 gegründete Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft stellt sich die Aufgabe, die dialektologische und literarische Hinterlassenschaft Johann Andreas Schmellers zu erforschen, sein Werk einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen sowie in der Tradition Schmellers Mundartpflege und -forschung zu fördern. Gemäß diesen Zielen veranstaltet die Gesellschaft Lesungen, Vorträge, Ausstellungen und Fachtagungen. Sie publiziert wichtige Arbeiten in ihren Jahrbüchern und verleiht seit 1985 durchschnittlich alle drei Jahre für hervorragende wissenschaftliche Leistungen den mit insgesamt 2.000,- € dotierten Johann-Andreas-Schmeller-Preis.
Die Dialektologischen Symposien im Bayerischen Wald haben ihren Ursprung im Jahr 2002, als in Kirchdorf im Wald ein Michael-Kollmer-Gedächtnis-Symposium abgehalten wurde. Für die Folgeveranstaltung im Frühjahr 2005 an gleicher Stelle galt als thematischer Rahmen „Dialekt • Literatur“. Weitere Symposien folgten 2008 in Walderbach („Mundart und Medien“), 2009 in Hetzenbach („Die Heimat auf der Zunge tragen – Mundart als Sprachschatz“), 2012 in Walderbach („Dialekt und Religion“), 2014 in Hetzenbach („Dialekt • Theater – Mundart auf der Bühne“) sowie zuletzt 2017 erneut in Hetzenbach („Dialekt • Namen – Mundart im Kontext der Onomastik“).
Schmeller-Gesellschaft/EK