Der großangelegte Warnstreik mehrerer Gewerkschaften hat am Montag den öffentlichen Verkehr in Bayern in großen Teilen lahmgelegt. Viele Busse, Trams, U- und S-Bahnen, Regional- und Fernzüge und die meisten Flugzeuge blieben stehen. «Es läuft nichts», sagte der stellvertretende Landesbezirksleiter von Verdi, Sinan Öztürk, am späten Montagvormittag. Die Beteiligung am Warnstreik sei sehr hoch.
Wer zur Arbeit wollte, musste am Montag also auf Auto, Fahrrad, Roller oder ähnliches umsteigen. Die Auswirkungen auf den Straßenverkehr hielten sich ersten Erkenntnissen zufolge aber in Grenzen. Der ADAC beobachtete am frühen Morgen zwar mehr kleine Staus auf den Autobahnen, im Verlauf des Vormittags beruhigte sich die Lage aber deutlich. Die Menschen hätten sich offenbar auf den Warnstreik eingestellt, sagte eine ADAC-Sprecherin:
«Wer kann, ist im Homeoffice geblieben.»
Verdi hatte zusammen mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zum ganztägigen Warnstreik aufgerufen. In Bayern waren der Bahnverkehr, Flughäfen, Nahverkehr, Wasserstraßen und Autobahnmeistereien betroffen.
Im kommunalen Nahverkehr waren unter anderem Mitarbeiter in München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Würzburg, Schweinfurt, Bamberg, Bayreuth, Fürth, Erlangen, Ingolstadt, Passau und Landshut zum Warnstreik aufgerufen. In München fielen U-Bahn und Tram aus, nur bei den Bussen fuhr laut Verkehrsgesellschaft MVG etwa die Hälfte der Fahrzeuge. Auch S-Bahn und Regionalzüge waren betroffen, die in den Bereich der EVG fallen. Der Fernverkehr der Bahn wurde eingestellt.
Mehrere Eisenbahnunternehmen kündigten am Nachmittag an, in Teilen des Freistaats wieder erste Regionalzüge fahren lassen zu wollen.
Der Warnstreik machte sich zuvor auch in den Innenstädten und beim Handel bemerkbar: Viele größere Häuser etwa in München arbeiteten nur mit einer Notbesetzung, sagte ein Sprecher des Handelsverbandes Bayern. In wenigen Fällen blieben Geschäfte sogar geschlossen. Vor allem in Großstädten und dort im Innenstadtbereich rechnete er mit deutlich weniger Käuferinnen und Käufern. Das deckt sich mit Daten des Anbieters Hystreet, der die Besucherfrequenzen in Einkaufsstraßen misst: Hier blieben die Zahlen in vielen bayerischen Shoppingmeilen am Montag teils deutlich hinter den für den Wochentag typischen Werten zurück.
Derzeit finden Tarifverhandlungen zum öffentlichen Personennahverkehr (TV-N) in Bayern statt. In zwei Verhandlungsrunden wurden von der bayerischen Arbeitgeberseite bisher keine Angebote für die Beschäftigten vorgelegt. Am 30.03.2023 findet die dritte Verhandlungsrunde im bayerischen TV-N statt.
„Wir wollen zur dritten Verhandlungsrunde nochmal deutlich machen, wie dringend wir ein Angebot im öffentlichen Personennahverkehr brauchen, das den Forderungen der Beschäftigten gerecht wird. Kein Angebot ist für alle Beschäftigten im öffentlichen Busverkehr ein Schlag ins Gesicht.“
so Alexander Gröbner, Geschäftsführer ver.di Bezirk Oberpfalz.
„Landauf landab diskutiert die Politik über die Verbesserung des Öffentlichen Nahverkehr, über Klimaschutz, neue Mobilität und Fachkräftemangel. Aber wenn es dann ans Eingemachte geht, ducken sich die Verantwortlichen weg – im Nahverkehr genau wie überall sonst! In der Tarifrunde will man von Inflation nichts mehr hören, von gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht und vom Fachkräftemangel erst recht nicht: schon jetzt fallen Bus- und Zugverbindungen aufgrund des bestehenden Personalmangels aus, die Taktfrequenz wird trotz Bedarf nicht verdichtet und der Bahn- oder Busverkehr ist vielerorts keine echte Alternative zum Autoverkehr. Eine Änderung dieser Situation wird es erst geben, wenn die Arbeitsplätze attraktiver werden und dazu gehört vor allem auch eine deutlich bessere Bezahlung“
, so Marina Mühlbauer, stellv. Geschäftsführerin ver.di Bezirk Oberpfalz.
„Unsere Kolleginnen und Kollegen haben die öffentliche Infrastruktur während der Corona-Pandemie und seither jeden Tag aufs Neue im wahrsten Sinne des Wortes unter schwierigen Bedingungen am Laufen gehalten und das mit hohem gesundheitlichen Risiko und bei schlechter Bezahlung: hohe Energiepreie und steigende Lebensmittelpreise sind im Verkehrsbereich für die Beschäftigten besonders schmerzhaft. In dieser Situation ist es das falsche Signal der Arbeitgeber, kein Angebot vorzulegen. Das verschärft den Tarifkonflikt und auch den Fachkräftemangel nur noch weiter und letztlich gefährden die Arbeitgeber durch ihre Weigerungshaltung sogar die Zukunft der ökologischen Verkehrswende“,
verdeutlicht Mühlbauer die aktuelle Lage.
Parallel hatte die Gewerkschaft ver.di begleitend zu der Tarif- und Besoldungsrunde für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen erneut den Druck auf die öffentlichen Arbeitgeber erhöht und rief zur Beteiligung am bundesweiten Warnstreik im Verkehrs- und Infrastrukturbereich auf.
„Welcher Druck angesichts des bisher respektlosen Angebots auf dem Kessel ist, zeigt die hohe Beteiligung an den Warnstreiks heute und in den vergangenen Wochen. Wir hoffen, dass die öffentlichen Arbeitgeber unsere Signale verstehen und in den heute beginnenden Tarifverhandlungen in Potsdam ein verhandlungsfähiges Angebot unterbreiten“,
Alexander Gröbner (Geschäftsführer ver.di Bezirk Oberpfalz).
Über 300 Beschäftigte aus dem Stadtwerk.Mobilität Regensburg und dem Verkehrs- und Infrastrukturbereich fanden sich an der Seite der Kolleginnen und Kollegen der EVG zur öffentlichen Streikkundgebung am Montag, den 27.03.2023 im Gewerkschaftshaus in Regensburg ein.
Darüber hinaus hatten sich rund 50 Warnstreikende aus dem Wasser- und Schifffahrtsamt Regensburg MDK sowie aus der Autobahn GmbH an der Seite von rund 150 ostbayerischen Kolleginnen und Kollegen in der Streikversammlung am Flughafen München eingefunden.
„Wir bitten die Bürgerinnen und Bürger um Verständnis: Um den Tarifkonflikt möglichst schnell für die Beschäftigten und die Öffentlichkeit zu einem guten Ergebnis zu führen, brauchen wir ein verhandlungsfähiges Angebot. Es liegt an den Arbeitgebern zu deeskalieren, im Sinne der Beschäftigen, aber auch aller Fahrgäste,“
schließt Gröbner.
An den Flughäfen München und Nürnberg fiel der normale Passagierverkehr aus. Bayernweit waren Zehntausende Passagiere betroffen. «Es sind keine Passagiere unterwegs», sagte eine Sprecherin der Flughafen München Verkehrsleitung. «Es startet und landet nichts. Es ist fast ein bisschen gespenstisch.» Der Flughafen Memmingen blieb vom Streik dagegen verschont. Ebenso die am Nürnberger Flughafen stationierten Rettungsflieger.
Selbst die Justiz war betroffen: Der Wirecard-Prozess um die Milliarden-Pleite des Unternehmens konnte am Montag nur mit gut einstündiger Verspätung beginnen und musste frühzeitig enden.
Schülerinnen und Schüler konnten unter bestimmten Bedingungen dem Unterricht fern bleiben, wie Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) bereits im Vorfeld gesagt hatte. «Für Schülerinnen und Schüler, die wegen ausfallender Busse und Bahnen nicht zur Schule kommen können und sonst keine Fahrtmöglichkeit haben, gibt es Sonderregelungen: Sie können am Montag zuhause bleiben.»
Mit den Warnstreiks wollen Verdi und EVG den Druck in ihren gegenwärtigen Tarifrunden erhöhen. Für den kommunalen Nahverkehr in Bayern werden die Gespräche am Donnerstag fortgesetzt. Er ist nicht Teil der seit Montag laufenden Verhandlungen für den öffentlichen Dienst.
Vom 27. bis 29. März findet die dritte Verhandlungsrunde im Rahmen der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen in Potsdam statt. Am 30. März werden die Verhandlungen zum TV-N in Bayern in der dritten Runde in München fortgesetzt. Die zweite Verhandlungsrunde mit den rund 50 Unternehmen im Eisenbahn- und Verkehrsbereich wird nach Ostern fortgesetzt.
dpa/JM/ver.di Oberpfalz