Do, 22.02.2024 , 14:32 Uhr

„Die konjunkturelle Lage ist so schlecht wie lange nicht mehr"

Ostbayerisches Handwerk in rasanter Abwärtsspirale

Die Geschäftslage im Handwerk ist auf der Talfahrt und der Ausblick ist besorgniserregend, so betitelt die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz den aktuellen Konjunkturbericht für das 4. Quartal 2023.

Im ostbayerischen Handwerk brodelt es: Die konjunkturelle Lage ist so schlecht wie lange nicht mehr – und auch die Stimmung bei den Betriebsinhabern rauscht in den Keller.

 

„Wenn die Politik so weitermacht, fährt sie die Wirtschaft gegen die Wand“, prognostizierte HWK-Präsident Dr. Georg Haber auf der Konjunktur-Pressekonferenz der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz in Regensburg. Der Unmut unter den Handwerkern sei groß: „Bei Steuern, Abgaben und Bürokratie sind wir Weltmeister, davon können wir uns aber nichts kaufen.“

 

Video: Wie steht es um das ostbayerische Handwerk?

 

Mitarbeiterbestand ist in Gefahr

HWK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Kilger stellte zunächst die Zahlen vor und nannte den Ausblick auf das kommende Jahr „besorgniserregend“. Der Geschäftsklima-Index sinkt laut Konjunkturbericht der HWK zum vierten Quartal 2023 auf einen Wert von minus zehn (Vor- und Vorjahresquartal: minus eins) und erreicht damit einen Tiefstand seit der Finanzkrise 2008/2009. Vor allem im Bausektor sei die Lage teilweise dramatisch. Wegen fehlender Neuaufträge werde es dort für die Betriebe immer schwieriger, ihre Fachkräfte zu halten.

 

„Ein Beschäftigungsabbau droht – damit sind auch die Ziele der Politik in Sachen Wohnungsbau und klimagerechter Umbau in Gefahr“, sagte Kilger. Und weiter: „Um es deutlich zu sagen: Für viele Betriebe wird ihre Arbeit zunehmend unwirtschaftlich. Unsere Wettbewerbsfähigkeit ist in Gefahr.“

 

Der äußerst pessimistische Ausblick spiegele sich auch in den konkreten Prognosen der Handwerksunternehmer wider. Fast jeder zweite Betrieb plane mit sinkenden Auftragseingängen (43 Prozent der Betriebe) sowie mit sinkenden Umsätzen (45 Prozent). Im Bauhauptgewerbe seien die Zahlen noch schlechter: „Dort rechnen 56 Prozent der Betriebe mit einem Abschwung bei den Auftragseingängen und 59 Prozent mit weiteren Rückgängen beim Umsatz“. Die Eintrübung der Geschäftslage schreite in den Betrieben rasant voran: „Bewertete im Jahr 2019 nur jeder 20. Betrieb seine Geschäftslage als schlecht, ist es aktuell bereits jeder vierte.“

 

Auftragslage verschlechtert sich spürbar

Die gedrückte Stimmungslage gehe mit schlechten Konjunkturdaten einher. Inzwischen verbuche jeder zweite Betrieb (47 Prozent) abnehmende Auftragseingänge. Jeder dritte Betrieb (31 Prozent) kämpfe mit einem unterdurchschnittlichen Auftragsbestand. Dabei sei die unterdurchschnittliche Nachfrage besonders im Bauhauptgewerbe (47 Prozent der Betriebe) spürbar.

Auch hinsichtlich der Umsätze konnte Kilger wenig Positives vermelden: „Die Umsatzdynamik war bereits im Vorquartal schwach und hat sich nun nochmals verschlechtert.“ Jeder dritte Betrieb (33 Prozent) melde rückläufige Umsatzzahlen, lediglich 16 Prozent der Betriebsinhaber berichteten von Zuwächsen. Eine schwächere Umsatzdynamik zeige sich erneut vor allem im Bauhauptgewerbe. Jeder zweite Betrieb (genau 50 Prozent) melde dort weniger Umsatz als noch im dritten Quartal. Auch in den Handwerken für den privaten Bedarf wachse die Zahl der Betriebe, die Umsatzrückgänge verzeichnen (38 Prozent).

 

Harsche Kritik an der Ampelkoalition

Die meisten Betriebe (68 Prozent) erhöhten ihre Preise nicht. „Und das trotz steigendem Preisniveau auch für unsere Handwerksbetriebe“, merkte Kilger an. Die Folge: „Die aktuelle Verunsicherung führt dazu, dass Handwerksunternehmer Zukunftsinvestitionen zurückstellen, die eigentlich gerade jetzt so dringend nötig wären.“

Ein Punkt, der auch HWK-Präsident Dr. Georg Haber umtreibt:

„Wir Handwerker leisten einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand unseres Landes, müssen im Gegenzug jedoch enorme Lasten stemmen.“

 

Haber führte unter anderem die überbordende Bürokratie sowie die hohen Energiepreise und Steuerbelastungen als Konjunkturbremsen ins Feld. Mit der Ampelkoalition im Bund ging er hart ins Gericht: „Streit ist zum Markenzeichen dieser Bundesregierung geworden – jeder kämpft gegen jeden“, so Haber. „Dabei sollte sie endlich ins Machen kommen und unternehmerisches Engagement fördern, statt es ständig zu torpedieren.“

Konkret forderte der HWK-Präsident ein schnelles Konjunkturprogramm für den Bau:

„Die Bauwirtschaft hat in der Vergangenheit, auch während Corona, das Land und die Wirtschaft immer mit am Laufen gehalten, gerade auch in Ostbayern. Jetzt besteht die Gefahr, dass ein ganzer Wirtschaftszweig abstürzt.“

 

Haber nahm auch die bayerische Landesregierung in die Pflicht:

„Vor der Wahl hat Ministerpräsident Markus Söder ein Baukonjunkturprogramm von ,500 Millionen plus X‘ angekündigt – bis heute wissen wir nicht, was genau es damit auf sich hat.“

 

Grundsätzlich, so Haber, seien die Zukunftsaussichten für die ostbayerischen Handwerkerinnen und Handwerker angesichts der vielen Transformationsaufgaben – von Mobilitätswende über Wärmewende bis hin zum Wohnungsbau – „mehr als gut“: „Deshalb muss die Politik jetzt schnell spürbare Wachstumsimpulse setzen, damit wir dieses Konjunktur-Tal bald durchschritten haben.“

 

 

Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz / MB

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