50 Durchsuchungen, 55 Beschuldigte, 928 beschlagnahmte Datenträger und Computer – so lautet die Bilanz einer großangelegten Kinderpornografie-Razzia in allen bayerischen Regierungsbezirken. «Wer solche Straftaten begeht, kann sich in Bayern niemals sicher fühlen», sagte Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Mittwoch mit Blick auf den «Operation Weckruf 2022» genannten Großeinsatz. Die Aktion war bereits am Dienstag, die Ermittler hatten zunächst keine Details dazu genannt.
15 der insgesamt 55 ermittelten Fälle betreffen demnach Downloads von Darstellungen von schwerstem und extrem gewalttätigem sexuellen Missbrauch von Kindern und Säuglingen. «Was dort zu sehen ist, dieses Maß an Grausamkeit, an Gewalttätigkeit, können selbst langjährige Ermittler nicht ohne Weiteres wegstecken», sagte Thomas Goger, der Leiter des Zentrums zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet (ZKI).
Es gab Beschuldigte in jedem Regierungsbezirk. Sie sind zwischen 18 und 73 Jahre alt, mehr als ein Drittel von ihnen ist jünger als 30. 23 von ihnen legten laut Goger noch an Ort und Stelle ein Geständnis ab. Ein 31-Jähriger aus dem unterfränkischen Landkreis Miltenberg räumte ein, 10 000 jugendpornografische Bilder und 1000 Filme gespeichert zu haben. Wo sich die Verdachtsmomente bestätigen, drohen Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr.
Bereits im Mai 2021 hatte es eine ähnliche Aktion gegeben, damals gab es 51 Beschuldigte. Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs und Kinderpornografie hatten zuletzt stark zugenommen. Im Jahr 2021 wurden beim ZKI mehr als 3200 Verfahren erfasst. Neben konsequenter Strafverfolgung wollen die Behörden auch auf Prävention setzen.
In 14 Fällen habe man am Anfang nur eine IP-Adresse gehabt, sagte Goger vom ZKI. Diese konnte man noch einem Anschluss zuordnen – Provider speichern die Daten aber nur einige Tage. Oft seien wegen der in Deutschland seit Jahren fehlenden Verkehrsdatenspeicherung keine Ermittlungen möglich, sagte Goger.
Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderten eine Verkehrsdatenspeicherung. «Wir wollen keinen Überwachungsstaat, wir wollen keinen „gläsernen Bürger“», sagte Eisenreich. Man wolle eine zeitlich befristete Speicherung und Zugriff nur bei bestimmten schweren Straftatbeständen. Das massenhafte Speichern von Kommunikationsdaten ist umstritten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte der allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt. Eisenreich sagte, der EuGH habe bei schweren Verbrechen aber Spielräume eröffnet. Wer die Verkehrsdatenspeicherung nicht wolle, verhindere Strafverfolgung und in einzelnen Fällen, dass laufender Missbrauch beendet werde.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte ein «Quick-Freeze»-Verfahren ins Spiel gebracht, bei dem Verbindungsdaten erst im Verdachtsfall gespeichert werden. Eisenreich kritisierte, die Daten seien dann in der Regel aber längst gelöscht. Goger sagte, das Verfahren leiste in dem Bereich überhaupt keinen Beitrag.
dpa/MB/JM