Di, 30.01.2024 , 09:24 Uhr

Neue Strategie: Letzte Generation macht keine Klebeaktionen mehr

Nach gut zwei Jahren Straßenblockaden mittels festgeklebter Aktivisten will die Klimaschützer-Gruppe Letzte Generation künftig darauf verzichten. Ab März wollen sie eine neue Strategie verfolgen und in großen Gruppen Versammlungen machen.

«Von nun an werden wir in anderer Form protestieren – unignorierbar wird es aber bleiben. Ab März werden wir zu ungehorsamen Versammlungen im ganzen Land aufrufen. Statt uns in Kleingruppen aufzuteilen und Straßenblockaden zu machen, werden wir gemeinsam mit vielen Menschen ungehorsame Versammlungen machen», teilte die Gruppe am Montag in Berlin mit. Das «Kapitel des Klebens und der Straßenblockaden endet damit».

Außerdem wolle man «die Verantwortlichen für die Klimazerstörung in Zukunft verstärkt direkt konfrontieren» und dazu Politiker und andere Entscheider «öffentlich und vor laufenden Kameras zur Rede stellen», hieß es weiter. «Zum anderen werden wir verstärkt Orte der fossilen Zerstörung für unseren Protest aufsuchen, so wie es in der Vergangenheit schon bei Protesten an Öl-Pipelines, Flughäfen oder dem Betriebsgelände von RWE der Fall war.»

Am 24. Januar 2022 hatte die Gruppe ihre Straßenblockaden für eine radikale Klimawende begonnen. Dazu kamen Proteste in Museen, Stadien, Ministerien. 550 Aktionen zählte allein die Polizei Berlin im vergangenen Jahr, die Staatsanwaltschaft der Hauptstadt hat inzwischen 3700 Verfahren geführt. Viele Betroffene empörten sich über die Aktivisten, selbst Grünen-Politiker hielten ihr Vorgehen für kontraproduktiv. Doch seit einiger Zeit ist es merklich stiller um die Letzte Generation. Sie steht im Schatten der lautstarken Bauernproteste und nun auch der großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Ihre nächste geplante «Massenblockade» am 3. Februar sagte sie zugunsten einer Aktion gegen rechts ab.

 

Mitteilung Letzte Generation

Die Lage unserer Gesellschaft am Anfang des Jahres 2024 ist so dramatisch wie schon seit langem nicht mehr. Menschenfeindliche und faschistische Kräfte legen die Axt an das Fundament unserer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung. Gleichzeitig setzt sich die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen in rasendem Tempo fort. Obwohl Grundgesetz und internationale Verträge weiteres Zögern verbieten, entscheiden sich Menschen mit viel Gestaltungsmacht und Geld in unserem Land, den politischen Kurs der Zerstörung weiter aufrechtzuerhalten. Ob aus Angst vor Veränderung oder aus zynischem Eigennutz – darüber lässt sich nur spekulieren.

Egal, welches Motiv zugrunde liegen mag: Die Weiterführung des “Status-Quo” ist ein Verbrechen mit schlimmstmöglichen Konsequenzen: Milliarden Menschen werden dadurch leiden und sterben.

Konfrontiert mit dieser Realität haben alle Bürgerinnen und Bürger die demokratische Pflicht so zu handeln, dass sie sich nicht der Komplizenschaft an diesem Verbrechen schuldig machen.

Diesem demokratischen Auftrage möchte die Letzte Generation von Anfang an gerecht werden. Wir sind gewöhnliche Menschen mit alltäglichen Problemen, die friedlich für eine gerechte Gesellschaft einstehen. Eine Gesellschaft, die wieder im Einklang mit ihren grundlegendsten demokratischen Werten handelt.

Egal, ob wir das Erstreiten des Frauenrechts, das Ende der Segregation oder das Erkämpfen von Arbeitsrechten betrachten: Um eine Wende hin zu einer gerechteren und menschlicheren Gesellschaft zu schaffen – war historisch neben anderen Beteiligungsformen unserer Demokratie auch immer hartnäckiger Protest unverzichtbar. Dabei hat sich gewaltfreier Widerstand als außergewöhnlich effizientes Mittel herausgestellt. Wenige Prozent der Bevölkerung können in kürzester Zeit die politische Realität völlig auf den Kopf stellen, sofern ihr Anliegen von einem breiten Querschnitt der Bevölkerung geteilt wird. Dies trifft im Fall der gerechten Rettung unserer gesellschaftlichen Lebensgrundlagen offensichtlich zu. Darum ist es das Ziel der Letzten Generation, eben jene kritische Masse an Menschen auf die Straßen zu mobilisieren, die es braucht, damit dieser Wunsch auch Realität wird.

Vor zwei Jahren haben 24 Menschen das erste Mal eine Straßenblockade gemacht und sich festgeklebt. Das Festkleben war wichtig, um nicht direkt von der Straße gezogen zu werden und somit unignorierbar protestieren zu können. Seitdem hat sich die Anzahl der Protestierenden mit der Letzten Generation verhundertfacht. Das eröffnet neue Möglichkeiten. Von nun an werden wir in anderer Form protestieren – unignorierbar wird es aber bleiben. Ab März werden wir zu ungehorsamen Versammlungen im ganzen Land aufrufen. Statt uns in Kleingruppen aufzuteilen und Straßenblockaden zu machen, werden wir gemeinsam mit vielen Menschen ungehorsame Versammlungen machen. Und zwar da, wo wir nicht ignoriert werden können. Somit beginnt eine neue Ära unseres friedlichen, zivilen Widerstandes – das Kapitel des Klebens und der Straßenblockaden endet damit.

Zusätzlich zu der neuen Hauptprotestform – die ungehorsamen Versammlungen – werden wir die Verantwortlichen für die Klimazerstörung in Zukunft verstärkt direkt konfrontieren. Das bedeuten zum einen, dass wir Politiker:innen und andere Entscheider:innen öffentlich und vor laufenden Kameras zur Rede stellen werden, so wie es die erfolgreiche US-amerikanische Gruppe Climate Defiance im vergangenen Jahr mit Vertreter:innen der Biden-Regierung getan hat.

Zum anderen werden wir verstärkt Orte der fossilen Zerstörung für unseren Protest  aufsuchen, so wie es in der Vergangenheit schon bei Protesten an Öl-Pipelines, Flughäfen oder dem Betriebsgelände von RWE der Fall war.

Verknüpfen werden wir diesen Protest mit einem einfachen Appell, an den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Wir werden ihn auffordern, öffentlich und ehrlich über die Klimazerstörung und das Notwendige umsteuern zu sprechen. Die Details dieses Appells werden in den kommenden Monaten in Form eines Briefes ausgearbeitet werden.

Würden die Entscheiderinnen und Entscheider in unserem Land beginnen, ehrlich über ihr Versagen, die schon erfolgte unumkehrbare Zerstörung und die nun notwendigen Maßnahmen zu sprechen, würde das ein tragfähiges gesellschaftliches Fundament des Vertrauens schaffen. Dieses Fundament wäre die richtige Basis, um darauf realpolitisch die notwendige Veränderung umzusetzen. Frank-Walter Steinmeier ist aus unserer Sicht als hoch angesehen und neutrale Instanz der richtige Adressat für so einen Appell der Ehrlichkeit.

 

 

dpa / Letzte Generation / MB

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