Der Tweet am Wahltag auf Aiwangers Twitter-Profil sei demnach nicht bußgeldbewehrt. «Bei den weiterverbreiteten Zahlen, die nur wenige Minuten auf dem Account standen, handelte es sich überdies nicht um Zahlen einer Nachwahlbefragung», hieß es in einer Mitteilung. Woher die Zahlen dann stammten, dazu sagten die Freien Wähler allerdings nichts.
Auf Aiwangers Twitter-Account waren am Tag der Bundestagswahl vor Schließung der Wahllokale Partei-Zahlen veröffentlicht worden, «angeblich» mit Stand 15 Uhr, zudem mit ausdrücklichem Verweis auf die Forschungsgruppe Wahlen. Verbunden wurde dies darüber hinaus auch noch mit einem direkten, letzten Wahlaufruf für die Freien Wähler – am Ende scheiterten diese aber sehr klar an der Fünf-Prozent-Hürde.
Aiwanger war daraufhin nicht nur vom politischen Gegner, sondern auch vom eigenen Koalitionspartner CSU scharf angegriffen worden. Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verlangte eine Entschuldigung – Aiwanger kam der Forderung nach und entschuldigte sich im Landtag.
Der Bundeswahlleiter prüfte den Vorgang – denn im Bundeswahlgesetz heißt es: «Die Veröffentlichung von Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung ist vor Ablauf der Wahlzeit unzulässig.» Ordnungswidrigkeiten können mit einem Bußgeld bis zu 50 000 Euro belegt werden. In einem Schreiben des Bundeswahlleiters heißt es nach Angaben der Freien Wähler aber nun: «Nach den uns vorliegenden Ermittlungsergebnissen» könne «der Nachweis einer Ordnungswidrigkeit (…) nicht geführt werden». «Von der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens wird daher abgesehen.»
Freie-Wähler-Generalsekretärin Susann Enders ging postwendend zum Gegenangriff über: «Hubert Aiwanger wurde zu Unrecht verdächtigt und öffentlich angegriffen, jetzt müssen diejenigen Personen Konsequenzen ziehen, die Aiwanger angegriffen haben.» Der Tweet sei keine Veröffentlichung sogenannter «exit polls» gewesen, was Aiwanger bereits frühzeitig mitgeteilt habe. Vorverurteilungen und Rufschädigungen durch politische Mitbewerber – etwa durch Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn – seien zu verurteilen und ein Tiefpunkt politischer Kultur. «Wer wiederholt haltlose Sachverhalte unterstellt und willkürlich Rücktritte fordert, schadet der Demokratie und muss nun selbst die Konsequenzen ziehen, sich bei Herrn Aiwanger entschuldigen und selbst zurücktreten», verlangte Enders.
Auch Freie-Wähler-Landtagsfraktionschef Florian Streibl sagte: «Von unüberlegten Vorverurteilungen in einem laufenden Verfahren sollten Demokraten grundsätzlich absehen – denn das vergiftet das politische Klima und ist eines Rechtsstaats unwürdig.» Die von Aiwanger abgegebene Entschuldigung verdiene gerade deshalb höchsten Respekt. «Diejenigen, die ihn vorschnell und unüberlegt verurteilten, müssen sich nun die Frage gefallen lassen, ob ihr Verhalten unserer freiheitlichen, demokratischen und pluralen Gesellschaft würdig ist», argumentierte Streibl. «Wer einen hohen moralischen Maßstab an andere anlegt, muss diesem auch selbst gerecht werden. Schämen Sie sich, Herr von Brunn, und entschuldigen Sie sich bei Hubert Aiwanger.»
dpa