Sa, 23.07.2016 , 09:30 Uhr

München: 18-Jähriger erschießt neun Menschen

Gezielte Schüsse auf fliehende Menschen, Schreie, Panik. Am Ende eines grauenvollen Abends in München sind zehn Menschen tot, darunter der Attentäter. Es ist ein 18-jähriger Deutsch-Iraner, mehr ist zunächst nicht bekannt. Die Ermittler stehen vor vielen Rätseln.

Am Morgen danach steht München noch immer unter Schock: Ein 18-Jähriger hat am Olympia-Einkaufszentrum im Norden der Stadt neun Menschen erschossen und 16 weitere verletzt. Die Polizei sprach am Freitagabend zunächst von einer Terrorlage, die Stadt befand sich im Ausnahmezustand. Doch ob es wirklich ein Anschlag mit politischen Bezügen oder ein Amoklauf des Deutsch-Iraners war, ist völlig offen. Der junge Mann kann nicht mehr befragt werden, denn er tötete sich selbst. Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass er als Einzeltäter handelte.

Die Spurensuche am Tatort ging auch am Samstagmorgen weiter, das Gebiet um das Einkaufszentrum war weiträumig abgesperrt. Im Stadtteil Maxvorstadt durchsuchte die Polizei am Morgen ein Haus. Nicht bestätigen wollte die Polizei zunächst, dass der Einsatz der Wohnung des Täters oder der Wohnung von dessen Vater galt. Einzelheiten zum Ermittlungsstand wollte die Polizei im Laufe des späten Vormittags mitteilen.

 

Sondersitzung des bayerischen Kabinetts

Das bayerische Kabinett wollte zu einer Sondersitzung zusammentreten. Ministerpräsident Horst Seehofer zeigte sich «tief erschüttert». Die «brutale und menschenverachtende Tat» erfülle alle «mit Trauer und Schrecken». Bundesinnenminister Thomas de Maizière wollte sich am Vormittag mit den Spitzen von Verfassungsschutz, BND und BKA in Berlin zu einer Lagebesprechung treffen und anschließend an einer Sitzung des Bundessicherheitskabinetts teilnehmen. Der CDU-Politiker ordnete Trauerbeflaggung in ganz Deutschland an.

Der 18-Jährige hatte die ersten Schüsse aus einer Pistole am frühen Abend in einem Schnellrestaurant abgegeben, anschließend schoss er auch an dem Einkaufszentrum und ergriff die Flucht. Eine Zivilstreife stellte ihn und schoss auf ihn. Unklar bliebt zunächst, ob der Täter dabei auch getroffen wurde. Seine Leiche wurde etwa einen Kilometer vom Einkaufszentrum entfernt in einer Nebenstraße gefunden. Dort wurde auch eine Pistole sichergestellt.

Am Freitagabend war zeitweise nach drei möglichen Tätern mit Gewehren gefahndet worden. Weiter ungeklärt waren am Samstagmorgen die Hintergründe der Bluttat und das Motiv. Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä sagte am Morgen: «Wir gehen momentan von einer Schießerei aus.» Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund gibt es bisher nicht.

Der Täter soll zuletzt mehrere Jahre in München gelebt haben. Der Polizei war er bisher noch nicht aufgefallen. Sie bestätigte, dass es sich bei einem Mann, der auf einem im Internet kursierenden Video auf einem Parkdeck zu sehen ist, um den Täter handeln könnte. Polizeipräsident Andrä rief die Bevölkerung auf, den Ermittlern mögliche weitere Handy-Videos vom Tatort zur Verfügung zu stellen.

Öffentliche Nahverkehr zeitweise eingestellt

Nach den Schüssen am Olympiazentrum war in Teilen der Stadt Panik ausgebrochen. Das Hauptaugenmerk habe nach den Schüssen vor allem darauf gelegen, die Sicherheit in München zu gewährleisten, sagte Andrä. Darum warnte die Polizei zunächst vor einer «akuten Terrorlage», die Landeshauptstadt rief den «Sonderfall» wegen einer «Amoklage» aus. Und: Die Polizei forderte die Anti-Terror-Einheit GSG 9 des Bundes und Spezialeinheiten aus mehreren anderen Bundesländern an. Der öffentliche Nahverkehr - U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen - wurde zeitweise eingestellt, auch der Zugverkehr stand still. Der Münchner Hauptbahnhof wurde evakuiert, Ärzte und Schwestern wurden in die Krankenhäuser gerufen. Restaurants in der Innenstadt schlossen aus Sicherheitsgründen. Die Landeshauptstadt forderte die Bürger nach den Schüssen zunächst per Smartphone-Warnsystem Katwarn auf, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Facebook aktivierte den «Safety Check» («Sicherheitscheck») für München. Damit können Bewohner darüber informieren, dass sie in Sicherheit sind. Etliche Münchner twitterten den Hashtag #OffeneTür, um anderen Menschen Unterschlupf zu gewähren. Es ist bereits die zweite schwere Gewalttat in Deutschland innerhalb weniger Tage. Erst am Montagabend hatte ein 17-jähriger Flüchtling mit einer Axt und einem Messer vier Touristen aus Hongkong in einem Regionalzug bei Würzburg schwer verletzt. Einsatzkräfte erschossen den Jugendlichen. Diese Tat soll einen islamistischen Hintergrund haben.

Bayerische Landtag trauert um die Toten und Verletzten

Der Bayerische Landtag trauert um die Toten und Verletzten der unfassbaren und feigen Attacke in München. Landtagspräsidentin Barbara Stamm: „Dieser menschenverachtende und grausame Angriff erschüttert uns zutiefst, macht uns fassungslos und erfüllt uns mit tiefster Trauer. In diesen schweren Stunden sind wir mit unseren Gedanken und unseren Herzen bei den Angehörigen der Opfer. Allen Verletzten wünschen wir baldige und umfassende Genesung.

Zugleich gilt unser allergrößter Dank den Einsatzkräften, insbesondere der Polizei und den Rettungsdiensten, die mit ungeheurer Kraft und selbstlosem Einsatz geholfen haben. Vergelt’s Gott dafür! Es ist so gut zu wissen, dass wir uns auf die professionelle Hilfe dieser Menschen uneingeschränkt verlassen können. Auch danken wir den vielen hilfsbereiten Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen überall in München. Zugleich gilt einmal mehr: Wir lassen uns unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unsere Werte von niemandem streitig machen.“

23.07.2016 DPD / RH

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