Di, 10.08.2021 , 16:09 Uhr

75 Prozent der Fernzüge betroffen

Lokführer streiken: Bahn streicht Züge

Heute hat die Lokführergewerkschaft GDL einen Streik angekündigt. Die Deutsche Bahn hat für Mittwoch und Donnerstag Dreiviertel ihrer Fernzüge gestrichen. Auch Ostbayern ist davon betroffen.

Auf die Kunden der Deutschen Bahn kommen schwere Streiktage mit vielen Zugausfällen und Verspätungen zu. Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) hat nach einer Urabstimmung ihre Mitglieder im Bahnkonzern zu einem Arbeitskampf aufgerufen, der im Güterverkehr bereits am Dienstagabend beginnen sollte. Fern- und Regionalverkehr werden laut der Ankündigung ab Mittwoch, 02.00 Uhr, für 48 Stunden bundesweit bestreikt, sodass die Bahn erst für den Freitag wieder mit einem störungsfreien Verkehr rechnet. Das folgende Wochenende soll verschont bleiben, kündigte die GDL an.

Auch in unserer Region sind einige Zugstrecken betroffen, zum Beispiel von Regensburg nach München. Informationen zu einzelnen Strecken finden Sie auf der Homepage der Deutschen Bahn.

 

75 Prozent der Fernzüge gestrichen

Für Mittwoch und Donnerstag hat die Deutsche Bahn 75 Prozent ihrer Fernzüge gestrichen. Priorität haben besonders stark genutzte Verbindungen zwischen Berlin und dem Rhein-Ruhr-Gebiet, zwischen Hamburg und Frankfurt sowie die Anbindung wichtiger Bahnhöfe und Flughäfen. Ziel sei ein zweistündliches Angebot mit besonders langen Zügen auf den Hauptachsen, kündigte der Staatskonzern an.

Gegenüber den Fahrgästen wolle man sich kulant zeigen, die Fahrkarten länger gelten lassen oder erstatten. Im Regionalverkehr werde das ebenfalls sehr eingeschränkte Angebot regional sehr stark schwanken. Auch die S-Bahnen dürften betroffen sein.

Einen weitgehend störungsfreien Verkehr erwartet die Bahn erst wieder für den Freitag.

 

Ersatzfahrpläne Online

Trotz des Ersatzfahrplans könne man nicht garantieren, dass alle Reisenden wie gewünscht an ihr Ziel kommen. Man bitte daher Fahrgäste, die nicht zwingend fahren müssen, ihre Reise möglichst zu verschieben. Gegenüber den Kunden wolle man sich sehr kulant zeigen. Die für den Streikzeitraum gelösten Karten könnten bis einschließlich dem 20. August bei aufgehobener Zugbindung genutzt oder erstattet werden.

Beim Regionalverkehr werde das ebenfalls sehr eingeschränkte Angebot regional sehr stark schwanken. Es gehe in den Metropolregionen und im ländlichen Raum darum, ein Grundangebot für Schüler und Pendler sowie wichtige Zubringer zu Fernverkehrszügen oder Flughäfen beizubehalten.

Die Informationen würden so schnell wie möglich in die elektronischen Informationssysteme eingepflegt. Der Ersatzfahrplan für den Fernverkehr sollte ab 15.00 Uhr in der Fahrplanauskunft auf bahn.de und in der App DB Navigator abrufbar sein.

 

Streik wegen festgefahrenem Tarifkonflikt

Man habe in dem festgefahrenen Tarifkonflikt keine anderen Möglichkeiten mehr als den Streik, sagte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky im Frankfurt. Einwände wegen der hohen Belastungen von Bahn und ihren Kunden durch die Corona-Krise und die Überflutungen ließ der GDL-Chef nicht gelten. «Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt für einen Streik bei der Eisenbahn. Bitte wenden Sie sich an das DB-Management», antwortete Weselsky auf eine entsprechende Frage. «Corona oder auch die Flut haben mit diesem Tarifkonflikt nichts zu tun.»

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) appellierte ans Miteinander. Er sagte: «Alle müssen ein Interesse daran haben, das Vertrauen in die Bahn als zuverlässiges Verkehrsmittel aufrechtzuerhalten – erst recht nach den harten Monaten der Corona-Pandemie. Deshalb sollten beide Seiten schnellstmöglich an den Verhandlungstisch zurückkehren.»

Die Autoindustrie, die schon jetzt mit Lieferengpässen kämpft, forderte schnellstmöglich nach Lösungen zu suchen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände warf der Gewerkschaft vor, aus Eigeninteresse die schwierige Erholung der Wirtschaft zu gefährden.

Bei der Urabstimmung hatten 95 Prozent der teilnehmenden GDL-Mitglieder für einen Arbeitskampf gestimmt. Damit sei die notwendige Zustimmung von 75 Prozent weit übertroffen worden, erläuterte Weselsky. Die GDL will nach seinen Worten eine Nullrunde im laufenden Jahr nicht akzeptieren, verlangt eine deutliche Corona-Prämie von 600 Euro und Einkommenssteigerungen von insgesamt 3,2 Prozent bei einer Laufzeit von 28 Monaten.

Die Bahn bezeichnete den Streik als «Eskalation zur Unzeit». «Gerade jetzt, wenn die Menschen wieder mehr reisen und die Bahn nutzen, macht die GDL-Spitze den Aufschwung zunichte, den wir in Anbetracht der massiven Corona-Schäden dringend brauchen», teilte Personalchef Martin Seiler mit. Er kritisierte, die GDL habe sich nicht an ihre Ankündigung gehalten, den Kunden ausreichend Vorlauf vor dem Streikbeginn zu lassen. Auch der Fahrgastverband Pro Bahn nannte die Streikankündigung «deutlich zu kurzfristig».

 

Regionale Auswirkungen noch nicht absehbar

Die Konkurrenten der Bahn werden nicht bestreikt. Folgen des Arbeitskampfes könnten aber auch sie treffen. So erklärte der GDL-Bezirk Nord, dass die regionalen Auswirkungen noch nicht absehbar seien. «Aber wir haben mit Sicherheit eine hohe Beteiligung aus allen Bereichen. Auch die Kolleginnen und Kollegen bei DB Netz und bei DB Station und Service sind arg unzufrieden.» Der Arbeitskampf könnte wegen fehlenden Personals etwa in Bahnhöfen oder im Verkehrsmanagement daher ebenso Folgen für Wettbewerber haben.

«Wir führen einen Tarifstreit um Zeit und Geld», erklärte Weselsky. Im Hintergrund steht aber der komplexe Machtkampf mit der weit größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um die rund 200 000 Beschäftigten im Bahnkonzern. Diese sind in rund 300 Einzelbetrieben tätig, in denen laut Tarifeinheitsgesetz jeweils herausgefunden werden muss, welche Gewerkschaft dort mehr Mitglieder hat und dann maßgeblich die Tarifverträge abschließen kann.

Die GDL will sich keinesfalls mit den lediglich 16 Betrieben zufriedengeben, die eine erste Zählung des Arbeitgebers ergeben hat. Neben juristischen Schritten setzt sie auf massive Mitgliederwerbung, die im ersten Halbjahr mehr als 3000 Beitritte gebracht habe. Es sei klar, dass man für Werkstätten und Fahrdienstleitungen künftig Tarifverträge abschließen werde, kündigte Weselsky an. Berichte über eine angeblich knappe Streikkasse wies er als «Latrinenparolen» zurück. «Das ist ausreichend für lange, lange Streiks. Wir haben aber nicht vor, das auszukosten.»

EVG-Chef Klaus-Dieter Hommel warf der Konkurrenz-Gewerkschaft prompt vor, den Bahnkonzern spalten zu wollen. Die harte Tarifauseinandersetzung solle jetzt doch noch für mehr Mitglieder bei der GDL sorgen. «Diese GDL kämpft um ihr Überleben und nimmt dabei den Verlust von Arbeitsplätzen und die Verschlechterung von Beschäftigungsbedingungen in Kauf», sagte Hommel. Es sei «höchste Zeit», dass alle Beteiligten Verantwortung übernähmen und an den Verhandlungstisch kommen.

Der Ausstand der Lokführer ist der erste Streik bei der Bahn seit Dezember 2018, als die EVG ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufrief. Weitaus härter verlief der GDL-Streik 2014 und 2015. In acht sich steigernden Wellen legten die Lokführer unter Weselskys Führung die Arbeit nieder und weite Teile des Streckennetzes lahm.

Die EVG hatte schon im vergangenen Herbst einen Tarifabschluss mit der Bahn unterschrieben. Dieses Jahr gab es eine Nullrunde. Anfang 2022 erhalten die Beschäftigten 1,5 Prozent mehr Geld. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen. Sollte die GDL mit ihren Forderungen durchkommen, müsste die Bahn mit der EVG wohl nachverhandeln.

 

 

Streik bremst Bahnverkehr auch in Bayern aus

Der Streik der Lokführergewerkschaft GDL bremst auch ICE-Züge, Regionalverbindungen und S-Bahnen in Bayern aus. Die Deutsche Bahn (DB) kündigte ab Mittwoch starke Einschränkungen an, rief Fernreisende zum Verschieben ihrer Reisepläne auf und feilte am Dienstagnachmittag noch an Ersatzfahrplänen.

Der Regionalverkehr der DB in Bayern werde von Mittwoch bis Freitag stark eingeschränkt sein: Es werde zu Verspätungen und Zugausfällen kommen, teilte das Unternehmen mit. Für den Regional- und S-Bahnverkehr werde es Ersatzfahrpläne geben. Ziel sei, ein Grundangebot für Pendler und Schüler und wichtige Zubringer zu Fernverkehrszügen und Flughäfen beizubehalten. Trotzdem sei nicht zu garantieren, dass alle Reisenden wie gewünscht ans Ziel kommen. In München sehe der S-Bahn-Fahrplan einen Stundentakt auf allen Linien vor, sagte eine MVV-Sprecherin.

Im Regionalverkehr sind auf vielen Strecken in Bayern Privatbahnen unterwegs, die von der GDL nicht bestreikt werden. Sie dürften «halbwegs normal fahren», sagte der stellvertretende Landesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Lukas Iffländer. Aber der Ausfall vieler S-Bahn-Züge werde wohl dazu führen, dass sie voller und weniger pünktlich seien.

Am schwersten werde es wohl Nürnberg treffen, weil im Regionalverkehr nach Stuttgart keine privaten Bahnbetreiber fahren, sagte Iffländer. Die DB warnte, der Regionalverkehr der Westfrankenbahn sei bis Freitag vom Streik «massiv beeinträchtigt». Bayern habe immerhin den Vorteil, dass die Deutsche Bahn hier noch viele Beamte im Einsatz habe, die nicht streikten, sagte Iffländer.

Im Fernverkehr reduziert die DB ihr bundesweite Angebot für Mittwoch und Donnerstag auf ein Viertel. «Ziel ist es, während des Streiks auf ausgewählten Hauptachsen ein zweistündliches Angebot zuverlässig aufrechtzuerhalten.» Wo möglich, würden besonders lange ICE-Züge eingesetzt.

 

dpa/MB

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