Mi, 22.06.2022 , 19:08 Uhr

Klage: Muss der emeritierte Papst Benedikt XVI. vor Gericht?

Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche könnte auch für den emeritierten Papst Benedikt XVI. schwere Folgen haben. Ein ehemaliges Opfer hat vor dem Landgericht Traunstein Klage eingereicht - unter anderem auch gegen Joseph Ratzinger.

Ein 38-jähriger Mann aus Bayern, der als Kind von dem katholischen Priester Peter H. missbraucht wurde, klagt vor dem Landgericht Traunstein. Das berichten der Bayerische Rundfunk, das Recherchezentrum CORRECTIV und die Wochenzeitung DIE ZEIT. Den drei Medien läge auch die Anklageschrift vor. Die Klage richte sich aber nicht nur gegen den Täter, sondern auch gegen Kardinal Joseph Ratzinger (den emeritierten Papst Benedikt XVI.) und Kardinal Friedrich Wetter, sowie das Erzbistum München und Freising. Das Landgericht Traunstein bestätigte am Mittwoch den Eingang einer Klageschrift, nannte dazu aber keine Namen oder irgendwelche Details. Die Klage werde dort nun bearbeitet.

 

Tat eigentlich verjährt

Der Kläger sei vor 26 Jahren von dem katholischen Priester missbraucht worden. Der Pfarre habe ihm damals Pornos gezeigt und ihn sexuell missbraucht. Der damals 12-jährige Junge habe sich seiner Mutter anvertraut, doch die hatte ihrem Sohn nicht geglaubt. Der Pfarrer habe sich sehr gut verkauft, so der heute 38-Jährige gegenüber dem BR. Das Opfer rutschte nach eigenen Aussagen nach dem Missbrauch ab, wurde in der Schule schlechter und nahm harte Drogen. 2010 erstattete das Opfer Anzeige, aber wegen Verjährung wurden die Ermittlungen eingestellt.

Laut CORRECTIV habe der ehemalige Pfarrer Peter H. vor einigen Jahren die Tat gestanden. 1986 sei der damalige katholische Priester in zehn Fällen rechtskräftig verurteilt und aus dem Klerikerstand entlassen worden.

Da die Missbrauchstaten strafrechtlich weitgehend verjährt seien, wende der Rechtsanwalt des Opfers, der Berliner Jurist Andreas Schulz, einen juristischen Kniff an, heißt es in den Medienberichten.

 

Bischöfe und Erzbistum als Mittäter?

Bei der Klage gegen den emeritierten Papst geht es um sozusagen eine Mitschuld. Als Peter H. wegen früherer Missbrauchstaten nach Bayern versetzt worden sei, ist Joseph Ratzinger zu dieser Zeit Erzbischof von München und Freising gewesen. Der Rechtsanwalt des Opfers ist sich gegenüber CORRECTIV sicher, dass Ratzinger Kenntnis von den Umständen gehabt habe, beziehungsweise zumindest in Kauf genommen habe, dass eine solche Tat nochmals passieren werden: Denn er soll den Priester wieder in der Seelsorge eingesetzt haben. Deshalb spreche der Anwalt von einer „gesamtschuldnerische Haftung“ für Ratzinger, für Wetter und für das Erzbistum München und Freising für die „Duldung“ des sexuellen Missbrauchs an dem Kläger.

Der Kläger hoffe darauf, dass ein weltliches Gericht feststelle, dass der damalige Priester ihn missbraucht habe und deswegen «zum
Ersatz des Schadens ihm gegenüber verpflichtet ist», heißt es den Medienberichten zufolge in der Klageschrift. Und weiter: «Er will erreichen, dass ein weltliches Gericht ebenfalls feststellt, dass der Papst Emeritus Benedikt XVI. hierzu verpflichtet ist, weil dieser als Erzbischof verantwortlich zugestimmt hat, den Priester (…) wieder in der Gemeindearbeit einzusetzen, obwohl dem Erzbistum München und Freising die sexuellen Übergriffe (…) bekannt waren.»

Mit einer Feststellungsklage wolle der Anwalt die Verjährung umgehen. Damit solle das Gericht den zivilrechtlichen Schaden feststellen, auch wenn Geldansprüche bereits verjährt seien. Damit kann zwar keine strafrechtliche Verfolgung, möglicherweise aber eine Feststellung der Schuld der Kirche erreicht werden. Der «klägerische Feststellungsanspruch» sei nicht verjährt, heißt es in dem der dpa vorliegenden Papier. Das Schicksal des Klägers stehe zudem exemplarisch für eine Vielzahl von Betroffenen des kirchlich sexuellen Missbrauchs ab dem 20. Jahrhundert bis heute.

 

Keine Reaktion vonseiten des Papstes

Auf Anfragen wegen der eingereichten Klage reagierte der emeritierte Papst zunächst nicht. Ein Sprecher der Erzdiözese teilte mit: «Bitte haben Sie Verständnis, dass sich die Erzdiözese München und Freising nicht zu einem laufenden gerichtlichen Verfahren äußert.»

Ein vom Erzbistum München und Freising in Auftrag gegebenes, im Januar vorgestelltes Gutachten einer Anwaltskanzlei war zu dem Ergebnis gekommen, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt wurden. Auch dem emeritierten Papst Benedikt wird darin Fehlverhalten in mehreren Fällen vorgeworfen. Benedikt verfasste am Ende einen Brief, in dem er die Opfer sexuellen Missbrauchs um Entschuldigung bat. Konkrete Vertuschungsvorwürfe gegen sich wies er aber entschieden zurück.

Weitere Informationen zu dem Fall finden Sie beim BR und bei CORRECTIV.

 

 

dpa / MB / JM

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