Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen beraten Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder am Mittwoch darüber, wie die Pandemie eingedämmt werden kann. Bei dem Treffen im Kanzleramt ab dem Mittag soll es darum gehen, ob die Länder eine einheitlichere Linie finden und Regeln verschärft werden sollen. Thema ist auch das umstrittene Beherbergungsverbot bei Reisen im Inland.
Merkel hatte wiederholt deutlich gemacht, ein erneuter Shutdown müsse unbedingt verhindert werden. Am Dienstagabend traf sich Merkel zu einem Vorgespräch mit mehreren Ministerpräsidenten, Ergebnisse wurden nicht bekannt. Vor dem Treffen hieß es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Kreisen von Teilnehmern, es gehe um das richtige Maß weiterer Beschränkungen. Man müsse in solchen Bereichen zu Einschränkungen kommen, in denen es absolut notwendig sei. Es werde wohl auch um die Frage gehen, welche Maßnahmen für die Breite der Gesellschaft erforderlich, sinnvoll und tragbar seien.
Ziel soll es demnach auch sein, sehr genau Bereiche zu definieren, denen man derzeit noch keine Hoffnung auf Öffnung machen könne. In diesen Bereichen müsse der Staat dann gegebenenfalls in einer anderen Dimension helfen, als dies bisher der Fall sei.
Es gehe um einheitliche Standards im Umgang mit Hotspots, hieß es. Verbessert werden solle auch die Kommunikation an die Bevölkerung. Aus Sicht von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder steht ganz Deutschland vor vier entscheidenden Wochen. Es müsse «einen Ruck geben zu mehr Einheitlichkeit» sagte der CSU-Chef am Dienstagabend im ZDF-«heute journal». «Die Zahlen sind viel zu hoch, viel zu früh.»
Kanzlerin Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten kommen erstmals seit Mitte Juni wieder im Kanzleramt zusammen und tagen nicht in einer Videokonferenz. Um was es geht:
BEHERBERGUNGSVERBOT
Die meisten Bundesländer hatten am vergangenen Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Als sicher gilt, dass am Mittwoch über das Thema gesprochen werden wird.
Diese umstrittene Regelung könnte nun noch einmal auf den Prüfstand kommen. So sagte der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, ein nochmaliger Lockdown der ganzen Hotelbranche müsse verhindert werden. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warnte in der «Bild»-Zeitung vor einer sinkenden Akzeptanz der Maßnahmen bei den Bürgern, wenn einzelne Regeln wie das Beherbergungsverbot nicht nachvollzogen werden könnten. Dagegen verteidigten andere Länderchefs wie Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) die Regelung.
MASKENPFLICHT UND BUßGELD
Söder macht sich für bundesweit schärfere Strafen bei Verstößen gegen Corona-Regeln stark. Für Verstöße gegen die Maskenpflicht solle es bundeseinheitliche Bußgelder von 250 Euro geben. Ende August hatten sich die meisten Ministerpräsidenten auf ein Bußgeld von mindestens 50 Euro geeinigt. In Bayern gilt der Regelsatz von 250 Euro bereits. Söder brachte auch die Frage ins Spiel, ob es eine erweiterte Maskenpflicht in ganz Deutschland brauche, um die Pandemie besser unter Kontrolle zu halten. Bisher gilt eine Maskenpflicht vor allem in Bussen und Bahnen sowie beim Einkaufen.
Merkel hatte am vergangenen Freitag mit den Oberhäuptern von Großstädten neue Regeln vereinbart. Ab 50 Infektionen pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen soll es umgehend neue Beschränkungen geben. Dazu gehören eine Erweiterung der Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und gegebenenfalls Sperrstunden sowie Alkoholbeschränkungen für die Gastronomie - sowie Teilnehmerbeschränkungen für Veranstaltungen und private Feiern. Dieses Thema könnte auch eine Rolle bei den Beratungen spielen.
SCHULEN UND KITAS
Konkrete Beschlüsse deuteten sich vorab nicht an. Merkel hatte aber immer wieder betont, dass die Aufrechterhaltung des Kita- und Schulbetriebs zu den obersten Prioritäten gehöre. Im Frühjahr und Sommer hatte es viel Frust wegen der Schließungen und des Schichtbetriebs gegeben. Zwar haben die meisten Schulen wieder geöffnet, aber es kommt immer wieder zu Schließungen und Fernunterricht für Klassen oder Lerngruppen wegen Verdachts- und Infektionsfällen. Das dürfte in der kalten Jahreszeit zunehmen.
TESTSTRATEGIE
Zum 15. Oktober - also Donnerstag - sollte nach Angaben des Gesundheitsministeriums eigentlich eine neue Corona-Teststrategie vorliegen. Tests sollen stärker auf Risikogruppen und das Gesundheitswesen konzentriert werden - weniger auf Reiserückkehrer. Ein erster Entwurf ist seit Anfang des Monats bekannt, die endgültige Version aber noch nicht. Geplant ist, dass Pflegeheime und Krankenhäuser «Antigen-Schnelltests» großzügig nutzen können, damit Besucher, Personal und Patienten regelmäßig getestet werden können.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte von zusätzlichen Tests «in großer Millionenzahl pro Monat» gesprochen. Geklärt werden sollte aber noch, an welcher Stelle künftig die bisher üblichen PCR-Tests und wo die Schnelltests zum Einsatz kommen und entsprechend die Kosten dafür übernommen werden sollen. Nach dpa-Informationen war im Gespräch, dass die neue Teststrategie erst nach dem Ende der Herbstferien startet, am 8. November.
REISERÜCKKEHRER AUS RISIKOGEBIETEN
Geplant sind neue Vorgaben zur Quarantäne-Zeit und zur «Freitestung». Bisher gilt, dass sich Reisende, die aus solchen Gebieten zurückkehren, sich 48 Stunden vor oder nach der Einreise auf Corona testen lassen und dann in Quarantäne bleiben, bis das Ergebnis da ist. Ohne negatives Testergebnis gilt eine vierzehntägige Quarantäne. Künftig könnte sie auf zehn Tage verkürzt werden. Ein «Freitesten» soll erst ab dem fünften Tag in Quarantäne möglich sein.
WIRTSCHAFT
Die Corona-Krise hatte im zweiten Quartal wegen des Lockdowns zu einem Wirtschaftseinbruch geführt. Merkel hat betont, es habe Priorität, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Spitzenverbände der Wirtschaft warnen eindringlich vor einem zweiten Lockdown, dies würden viele bereits angeschlagene Firmen nicht überleben.
dpa