Mi, 22.02.2023 , 09:31 Uhr

Initiative fordert Herausgabe von Vatikan-Akten

Die Initiative «Eckiger Tisch» fordert, dass Akten aus dem Vatikan herausgegeben werden.

Es ist ein Schriftwechsel mit Brisanz: Knapp zwei Monate nach dem Tod von Benedikt XVI. wird ein Brief von ihm bekannt, der sich auf einen verurteilten – und wieder eingesetzten – Missbrauchstäter bezieht. Die Initiative «Eckiger Tisch» fordert nun Konsequenzen.

Nach Bekanntwerden eines Briefwechsels zwischen dem Münchner Erzbistum und Joseph Ratzinger über einen Missbrauchstäter fordert die Betroffeneninitiative «Eckiger Tisch» die Herausgabe von Akten aus dem Vatikan.

«Der Brieffund belegt auch, wie wichtig die Auswertung von Akten wäre, die im Vatikan über tausende von Missbrauchsfällen aus aller Welt gelagert werden», sagte der Sprecher der Initiative, Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur. Er zeige auch, weshalb die Kirche in Deutschland wie im Vatikan Widerstand gegen externen Zugang und unabhängige Untersuchungen leiste: «sie ahnen, nein sie wissen, dass sich dort die Belege für Schuld und Verantwortung ihrer Bischöfe und Provinziale und Päpste findet.»

Am Dienstag hatten Correctiv und der Bayerische Rundfunk über den Schriftwechsel berichtet, bei dem es um den verurteilten Wiederholungstäter Priester H. ging. Wie das Erzbistum München und Freising am Dienstag bestätigte, erteilte Ratzinger 1986 als Chef der Glaubenskongregation dem Skandalpriester in einem von ihm selbst unterschriebenen Brief die Erlaubnis, die Heilige Messe mit Traubensaft statt mit Wein zu feiern.

Das Erzbistum hatte zuvor um diese Sondererlaubnis gebeten und die Bitte damit begründet, dass der Priester unter Alkoholeinfluss Straftaten nach den Paragrafen 174, 176 und 184 des Strafgesetzbuches (StGB) begangen habe. Die Paragrafen behandeln sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, sexuellen Missbrauch von Kindern und die Verbreitung pornografischer Inhalte.

Ratzinger, der spätere und an Silvester vergangenen Jahres gestorbene Papst Benedikt XVI., kam dieser Bitte nach, wie ein Sprecher des Erzbistums bestätigte: «Es gibt dieses Antwortschreiben, das von Ratzinger unterschrieben wurde.» Der verurteilte Täter wurde nach 1986 Pfarrer in Garching an der Alz – und missbrauchte dort wieder Kinder. Noch bis 2008 war er in der Gemeinde eingesetzt, inzwischen ist er suspendiert.

«Ratzinger war in jeder Hinsicht Repräsentant des Systems, dem tausende von Kinder und Jugendliche in aller Welt zum Opfer fielen», sagte Katsch. Er habe «stets mehr Empathie für die Täter als für die Opfer» aufgebracht. «Er hat das Wohl der Kirche und ihrer Missbrauchspriester über das Kindeswohl gestellt. In diesem Fall, wie in vielen anderen.»

Der Sprecher der Reformbewegung «Wir sind Kirche», Christian Weisner, sagte: «Dass Ratzinger vor einem Jahr noch versucht hatte, sich zunächst unwissend zu stellen, damit hat er seinen Ruf als „Mitarbeiter der Wahrheit“ – das war sein Wahlspruch als Bischof – selber zerstört.» Weisner betonte: «Es gibt viele Indizien dafür, dass es damals gängige Praxis war und vielleicht noch immer ist, straffällige Priester immer wieder neu einzusetzen und ihnen damit Gelegenheit für weitere Verbrechen zu geben. Und es ist entlarvend, dass Ratzinger auch als Kardinal in Rom noch in dieser Weise gehandelt hat.»

Ratzinger habe «stets nur zugegeben, was nicht mehr zu leugnen war», sagte Katsch vom «Eckigen Tisch» – und wagte eine Prognose, wie die Anhänger des Ex-Papstes die neuen Enthüllungen bewerten werden: «Ich habe keine Illusion darüber, dass die Verteidiger und glühenden kirchenpolitischen Anhänger von Benedikt auch diesmal wieder versuchen werden, die Fakten herunterzuspielen und zu relativieren: er habe täglich so viele Schreiben unterzeichnet – über seinen Schreibtisch gingen in 25 Jahren tausende von Missbrauchsakten, er konnte sich da unmöglich an jeden einzelnen Fall erinnern – und so weiter.»

dpa

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