Nach dem Bundestag stimmte am Freitag auch der Bundesrat mit großer Mehrheit für die Grundrente. Der Aufschlag für 1,3 Millionen Menschen mit kleiner Rente tritt zum 1. Januar 2021 in Kraft – wird aber wohl teilweise mit etwas Verspätung ausgezahlt.
Im Schnitt beträgt der Aufschlag 75 bis 80 Euro, er kann sich aber auch auf bis zu 400 Euro belaufen. Anspruchsberechtigte – darunter rund 70 Prozent Frauen – müssen die Grundrente nicht beantragen. Sie kommt automatisch, sobald Rentenversicherung und Finanzbehörden die Einkommensverhältnisse abgeglichen haben.
Dieser Abgleich ist aber ein erheblicher Verwaltungsakt, so dass mit zum Teil erheblichen Verzögerungen bei der Auszahlung gerechnet werden muss. Das kann bis Ende 2022 dauern. Ausgezahlt wird aber auf jeden Fall rückwirkend. Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD) räumte am Freitag bei der Debatte in der Länderkammer ein, dass diese Verzögerung die Anspruchsberechtigten auf eine Probe stelle. Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD), der im Bundesrat nochmals um Zustimmung für das Gesetz warb, erklärte, dass der Einkommensabgleich für die öffentliche Verwaltung mit einem erheblichen Aufwand verbunden sei.
Aber man habe Bürgerinnen und Bürger unbedingt von Bürokratie frei halten wollen. Eine 90-jährige Rentnerin würde vermutlich lieber auf den Zuschlag verzichten, als einen komplizierten Antrag auszufüllen. Das müsse verhindert werden, argumentierte Heil.
Anspruch auf die Grundrente hat, wer mindestens 33 Jahre Beiträge eingezahlt haben. Der Zuschlag soll gestaffelt werden, bei 35 Beitragsjahren soll er die volle Höhe erreichen. Den erhalten aber nur diejenigen, deren monatliches Einkommen als Rentner bei maximal 1250 Euro (Alleinstehende) und 1950 Euro (Eheleute oder Lebenspartner) liegt. Einkommen über dieser Grenze sollen zu 60 Prozent auf die Grundrente angerechnet werden.
Bei 1300 Euro Einkommen eines Alleinstehenden würden also 50 Euro zu 60 Prozent angerechnet – die Grundrente fiele 30 Euro niedriger aus. Einkommen über 1600 beziehungsweise 2300 Euro soll zu vollen 100 Prozent auf den Grundrentenzuschlag angerechnet werden: Hat ein Ehepaar zum Beispiel 2400 Euro Einkommen, vermindert sich die Grundrente um 100 Euro.
Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe machte die Rechnung auf, dass im Schnitt die Grundrente die Menschen mit geringen Renten um 80 Euro besserstellen werde. Manche könnten sogar mit bis zu 400 Euro im Monat oder knapp 5000 Euro im Jahr mehr rechnen. «Auch bei 80 Euro sind das fast 1000 Euro im Jahr», sagte Gröhe. Wenn Floristinnen oder Friseurinnen nach 40 Jahren Vollzeit bei 40 Prozent des Durchschnittsverdienstes nachher gut 500 Euro Rente im Monat hätten, steige diese Rente nun auf 900 Euro.
Heil brachte in diesem Zusammenhang nochmals das Beispiel von Susanne Holtkotte. Diese arbeite als Reinigungskraft in einer Klinik im Ruhrgebiet. Sie verdiene den Mindestlohn im Gebäudereinigerhandwerk. Die 50-Jährige habe – soweit heute absehbar – eine Rente von 760 Euro nach vielen Jahren. Mit der Grundrente komme sie auf 1030 Euro. Die Opposition kritisiert indessen, dass viele Bedürftige leer ausgingen.
Der Bundessozialminister zeigte sich zuversichtlich, dass die Grundrente – ebenso wie die nicht minder umstrittenen Pflegeversicherung und Mindestlohn – künftig niemand mehr abschaffen werde. Wie NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) geht Heil davon aus, dass der Zuschlag bei der Grundrente die Kaufkraft der Menschen mit kleinen Einkommen stärke und damit den Binnenkonsum ankurbeln helfe.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) unterstrich, dass die Grundrente insbesondere auch Menschen im Osten und hier wiederum besonders Frauen zugutekomme. Viele hätten nach Wende ihre Arbeit verloren und seien später wieder in Jobs mit kleinen Löhnen gekommen. Das habe sich massiv auf die Rente ausgewirkt.
Die Grundrente kostet den Steuerzahler schätzungsweise 1,3 bis 1,6 Milliarden Euro im Jahr. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte das Geld über eine Finanztransaktionssteuer bereitstellen. Doch die ist nicht in Sicht. Nun kommt es aus dem Bundeshaushalt. In der Union wird dies kritisiert. Zudem wird Heil vorgeworfen, zugesagte 400 Millionen Euro aus seinem Haushalt seien ebenfalls nicht absehbar.
dpa/MB