Do, 01.03.2018 , 09:01 Uhr
Spendenermittlungen: Hauptverhandlung gegen Wolbergs zugelassen
Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Regensburg hat heute die Anklage gegen den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs zugelassen. Allerdings in abgeänderter Form:
- Den Vorwurf der Bestechlichkeit, weshalb Joachim Wolbergs sogar in U-Haft gesessen war, hat das Landgericht fallen gelassen. Die Anklagevorwürfe der Bestechlichkeit sowie der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen (Nibelungenareal) erachtete die Kammer "als zumindest derzeit nicht haltbar".
- Joachim Wolbergs muss sich wegen Vorteilsnahme und wegen Verstoßes gegen das Parteiengesetz verantworten.
Wir halten Sie hier auf dem Laufenden. Hier unser Beitrag aus dem TVA Journal:
Statement von Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer
Fachanwalt Prof. Bockemühl ordnet die Anklage gegen Joachim Wolbergs ein
Joachim Wolbergs stellt sich den Medien
Im Rahmen der Pressekonferenz hob Joachim Wolbergs die Bedeutung des Beschlusses des Landgerichts hervor. Er ist froh, dass der "schlimmste Vorwurf" gegen ihn, die Bestechlichkeit fallengelassen wurde. Der suspendierte Oberbürgermeister zeigte sich auch glücklich darüber, dass er in der bevorstehenden Hauptverhandlung erstmals öffentlich seine Version der Dinge (Zitat: "meine Wahrheit") darstellen kann. Der sichtlich gezeichnte Joachim Wolbergs dankte seinem Verteidiger, seinen Weggefährten und Gertrud Maltz-Schwarzfischer, die das Amt "phänomenal" ausübt.
Wie geht es weiter?
- Suspendierung: Die Landesanwaltschaft Bayern wird aufgrund der heutigen Pressemitteilung des Landgerichts Regensburg den gerichtlichen Beschluss anfordern und auf dieser Grundlage prüfen, ob die Voraussetzungen für die vorläufige Dienstenthebung weiterhin als gegeben angesehen werden können.
- Prozessbeginn: Wann der Prozess gegen Joachim Wolbergs und die weiteren Angeklagten startet, ist noch unklar.
Wolbergs Verteidigung meldet sich zu Wort
Soeben hat sich der Verteidiger von Joachim Wolbergs (SPD) per Presseerklärung geäußert. Peter Witting habe Verständnis für die Entscheidung des Landgerichts Regensburg, "die Berechtigung dieses Vorwurfs unter Anhörung sämtlicher Beteiligter zu klären." Unschärfen machen die Abgrenzung in strafbares und strafloses Verhalten der Anklagepunkte (Vorteilsannahme/Verstöße gegen das Parteiengesetz) "durchaus schwierig". Dies gelte, so Witting weiter, "in besonderer Weise für die verfassungsrechtlich ausdrücklich erwünschte Einwerbung von Parteispenden, die auf kommunaler Ebene (...) unverzichtbar ist, allerdings regelmäßig den Verdacht anstößiger 'Spezlwirtschaft' nährt". Peter Witting ergänzte zum Vorwurf der Vorteilsannahme, die Verteidigung sei überzeugt, "dass sich am Ende eines solchen Verfahrens auch dieser Vorwurf als unbegründet erweisen wird".
Die Verteidigung geht dabei auch auf den jetzt fallengelassenen und von Joachim Wolbergs "von Anfang an entschieden zurückgewiesene(n)" Vorwurf der Bestechlichkeit ein, der Auslöser für eine traumatisierende Inhaftierung, wie auch vorläufige Dienstenthebung gewesen war. Dabei bezeichnet der Verteidiger die vorgelegte Anklage der Staatsanwaltschaft Regensburg als "einseitige Arbeitshypothese".
Reaktionen
Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) hat auf der Pressekonferenz (12 Uhr) von einem guten Tag für die Stadt Regensburg gesprochen. Sie sei persönlich erleichtert, dass der Vorwurf der Bestechlichkeit fallen gelassen wurde. Das bedeutet auch, dass die Kontaktsperre für Joachim Wolbergs nicht mehr gilt. Maltz-Schwarzfischer betonte, dass die Stadt nicht unter den Spendenermittlungen gelitten hat bzw. leidet.
Ich bin sehr froh, dass endlich Bewegung in die Angelegenheit gekommen ist. Ein Prozess wird hoffentlich bald die nötige Klarheit schaffen, was von den Vorwürfen noch übrigbleibt und was justitiabel ist. Der Hauptvorwurf der Bestechlichkeit wurde ja fallengelassen, dies bedeutet eine große Erleichterung für die Stadtpolitik, für Joachim Wolbergs selbst und seine Familie.
Wir haben in Regensburg große politische Vorhaben in Angriff genommen und möchten uns auf politische Inhalte konzentrieren. Immerhin ist erfreulich, dass zunächst der Vorwurf der Bestechlichkeit nicht weiter verfolgt wird, da dieser Vorwurf nicht nur Joachim Wolbergs, sondern die Stadt insgesamt belastet hat.
„Eine öffentliche Verhandlung dient insbesondere auch der Befriedung der Stadtgesellschaft. Die Einschätzung der Regierung der Oberpfalz, die bei der Vergabe der Nibelungenkaserne deutliche Mängel festgestellt hat, bleibt dennoch weiter im Raum. Die Vergabe ist nicht korrekt abgelaufen und daher aus Sicht der CSU-Fraktion weiterhin fragwürdig.“
TVA-Moderator Martin Lindner mit ersten Informationen
Die Pressemitteilung des Landgerichts im Wortlaut
Mit rechtlichen Änderungen hat die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Regensburg die Anklage der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 26. Juli 2017 gegen den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, den Bauunternehmer
Volker Tretzel, dessen früheren Mitarbeiter Franz W. und den Stadtrat Norbert Hartl zur Hauptverhandlung zugelassen. In ihrem ausführlich begründeten Beschluss vom 1. März 2018 gelangte die Kammer aufgrund einer vorläufigen Tatbewertung nach dem gesamten Akteninhalt zu der Einschätzung, dass ein für die Eröffnung des Hauptverfahrens hinreichender Verdacht lediglich im Hinblick auf die Straftatbestände der Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung und des Verstoßes gegen das Parteiengesetz vorliegt.
Die Anklagevorwürfe der Bestechlichkeit bzw. Bestechung sowie der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen erachtete die Kammer dagegen als zumindest derzeit nicht haltbar. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wurden die bereits außer Vollzug gesetzten Haftbefehle aufgehoben.
Maßgeblich für die Abstandnahme der Kammer von dem in ihren Außervollzugsetzungsbeschlüssen vom 28. Februar 2017 (Joachim Wolbergs), 10. März 2017 (Franz W.) und 13. März 2017 (Volker Tretzel) zunächst bestätigten dringenden Verdacht der Bestechlichkeit bzw. Bestechung war eine Neubewertung der Sach- und Rechtslage anhand des nach den Haftentscheidungen noch einmal erheblich gewachsenen Aktenumfangs. Dabei fanden auch die von Verteidigung und Staatsanwaltschaft während des Zwischenverfahrens intensiv ausgetauschten Argumente Berücksichtigung. Bezüglich der
in den Haftbefehlen nicht enthaltenen Anschuldigungwettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen sah
die Kammer den Anwendungsbereich der Strafnorm als nicht eröffnet an.
Da die verbleibenden Delikte wesentlich niedrigere Strafrahmen aufweisen als die angeklagte Bestechlichkeit bzw. Bestechung und nach den Außervollzugsetzungen keine Auflagenverstöße zu verzeichnen waren, kam eine Aufrechterhaltung der Haftbefehle nach Auffassung der Kammer nicht mehr in Betracht.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen hinreichenden Verdachts der Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung und des Verstoßes gegen das Parteiengesetz stellt keine endgültige Beurteilung und erst recht keine Verurteilung dar. Sie bedeutet nur, dass der Kammer die Überprüfung dieser Vorwürfe in einer Hauptverhandlung geboten erscheint.
Eine Hauptverhandlung bietet weitergehende Aufklärungsmöglichkeiten als die im Zwischenverfahren vorgenommene
Auswertung der Aktenlage, weil das Gericht in der Hauptverhandlung alle relevanten
Beweise unmittelbar, unter Mitwirkung der übrigen Verfahrensbeteiligten erhebt. Ein eventuelles
Urteil darf ausschließlich auf das Ergebnis der Hauptverhandlung gestützt werden. An seine Bewertung im Eröffnungsbeschluss ist das Gericht deshalb nicht gebunden. Jede hier von abweichende Verurteilung setzt jedoch einen vorherigen Hinweis auf das inFrage kommende Delikt und die Einräumung der Gelegenheit zur Verteidigung voraus.
Bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss gilt die Unschuldsvermutung.
Hintergrund der Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft Regensburg erhob im Juli 2017 Anklage gegen Wolbergs, unter anderem wegen Bestechlichkeit und Vorteilsnahme. Das Landgericht prüfte seither die Anklage und muss entscheiden, ob das Hauptverfahren eröffnet wird. Wolbergs Verteidiger hatten Ende Oktober beantragt, die Anklage nicht zuzulassen.
Wolbergs soll einen Unternehmer bei der Vergabe eines früheren Kasernenareals im Oktober 2014 bevorzugt haben. Im Gegenzug soll der Firmenchef an die Regensburger SPD von September 2011 bis März 2016 rund 475 000 Euro gespendet haben. Im Juni 2016 leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Wolbergs ein. Der Politiker wies die Vorwürfe gegen ihn stets zurück.
Mit Wolbergs sind ein Bauunternehmer, ein früherer Mitarbeiter des Unternehmers sowie der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD im Regensburger Stadtrat angeklagt. Bei der Staatsanwaltschaft laufen in diesem Zusammenhang zudem mehrere Ermittlungsverfahren gegen weitere Beschuldigte, unter anderem gegen den früheren Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) und zwei weitere Bauunternehmer. Zu diesen Ermittlungen lesen Sie hier mehr.
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