Mi, 25.05.2022 , 10:55 Uhr

Grünthal: Mann stirbt bei Polizeieinsatz - Todesursache steht fest

Der Fall eines 31-Jährigen, der bei einem Polizeieinsatz vor zwei Monaten ums Leben gekommen ist, hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt das offizielle rechtsmedizinische Gutachten veröffentlicht. Der Verdacht, dass die eingesetzten Polizisten an dem Tod Schuld sein könnten, bestätigte sich dabei nicht.

Vor zwei Monaten ist ein Mann bei einem Polizeieinsatz in Grünthal aus bisher ungeklärten Umständen ums Leben gekommen. Der Mann war im März in Wenzenbach bei Regensburg festgenommen worden, weil er einen 28-Jährigen mit einer Eisenstange am Kopf verletzt haben soll. Er starb während der Fesselung. Der Todesfall hatte für viele Spekulationen gesorgt und auch die Frage in den Raum gestellt, ob sich die eingesetzten Polizeibeamten falsch verhalten haben könnten. Zwei vorangegangene Obduktionen konnten keine eindeutige Todesursache feststellen und sorgte für weitere Unklarheiten.

Jetzt liegt das rechtsmedizinische Gutachten vor, das besagt, dass wohl eine Verkettung von mehreren Umständen zum Tode geführt hat. Laut dem Gutachten kam es bei dem 31-Jährigen zu einem akuten Herzversagen, als er versucht hat, sich gegen die Polizisten zu wehren.

Auch das Blut des Verstorbenen wurde untersucht. Dabei wurden mehrere Medikamente nachgewiesen, die dem 31-Jährigen verschrieben worden waren. Hinzu kommen eine Herzschwäche, Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten sowie die starken körperlichen Anstrengungen für den Mann, während seiner Festnahme. Das Gutachten stützt sich dabei auch auf Zeugenaussagen, die belegen, dass der Verstorbene sofort zusammengebrochen sei.

Auch dem Verdacht, dass die Polizisten mit einem möglicherweise brutalen Eingreifen Schuld an dem Tod des 31-Jährigen hätten, wurde rechtsmedizinisch nachgegangen. Dabei konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Beamten dem Todesopfer die Luft abgeschnürt hätten. Auch zwei Zeugenaussagen bestätigten, dass sich die Polizisten nicht falsch verhalten hätten. Deshalb besteht weiterhin kein Verdacht einer Straftat.

Der Anwalt der Familie des Verstorbenen hat nun die Gelegenheit, sich zu dem Gutachten zu äußern.

 

JM/dpa

 

 

Offizielle Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Regensburg

Laut rechtsmedizinischem Sachverständigengutachten lässt sich der Todeseintritt bei dem 31-jährigen Verstorbenen mit einem akuten Herzversagen im Rahmen der körperlich anstrengenden Widerstandshandlungen erklären. Aussagekräftige Hinweise auf eine durch Einwirkung auf Hals oder Brust verursachte Behinderung der Atemtätigkeit liegen nicht vor. Es besteht weiterhin kein Anfangsverdacht einer Straftat.

Der Staatsanwaltschaft Regensburg liegt nunmehr die chemisch-toxikologische Untersuchung des Blutes des Verstorbenen vor. Hierbei wurden das dem Verstorbenen ärztlich verordnete Neuroleptikum Clozapin in therapeutischer Dosis sowie Cannabinoide nachgewiesen.

Zudem liegt die zusammenfassende rechtsmedizinische Einschätzung zur Todesursache vor.

Der Sachverständige gelangt zu dem Ergebnis, dass sich der Todeseintritt mit einem Zusammenspiel verschiedener Ursachen erklären lasse.

Das Gutachten führt insoweit insb. ein grenzwertig hohes Herzgewicht des Verstorbenen mit latenter Versagensbereitschaft der Herzmuskulatur (1.), die Einnahme des Medikaments Clozapin (2.), mögliche (Wechsel-)Wirkungen mit den nachgewiesenen Cannabinoiden (3.) und die geschilderten erheblichen körperlichen Anstrengungen des Verstorbenen im Rahmen der Widerstandshandlungen (4.) auf.

Hierbei stützt sich der Sachverständige insb. auf die Aussage mehrerer Zeugen, welche berichtet haben, dass der Kreislaufzusammenbruch des Verstorbenen akut eintrat und nicht fortschreitend.

Aufgrund der geschilderten Risikofaktoren lasse sich der Todeseintritt aus rechtsmedizinischer Sicht als akutes Herzversagen (med.: akute kardiale Dekompensation) im Rahmen der Widerstandshandlungen erklären.

Eine derartige (funktionelle) Todesursache lasse sich jedoch weder durch eine Obduktion noch mikroskopisch nachweisen, weswegen auch keine pathologisch- anatomisch eindeutige Todesursache feststellbar sei. Dies war bereits das Ergebnis der Obduktion und der sich hieran anschließenden feingeweblichen Untersuchungen.

Alternativ diskutiert der Sachverständige, inwieweit eine hypothetisch durch die eingesetzten Polizeibeamten verursachte Behinderung der Atemtätigkeit todesursächlich gewesen sein könnte, und beleuchtet die Ursache der im Rahmen beider Obduktionen festgestellten petechialen Einblutungen im Bereich des Schädels des Verstorbenen und der übrigen Verletzungen an dessen Körper. Insoweit führt der Sachverständige aus, dass derartige Stauungsblutungen nicht zwingend auf eine Behinderung der Atemtätigkeit schließen ließen.

Vielmehr träten Stauungsblutungen bei verschiedensten Todesursachen, insb. 29 % der reanimierten Herztodesfälle, auf. Auch im vorliegenden Fall erfolgten intensive Reanimationsbemühungen durch Polizeibeamte und Rettungskräfte. Zudem spreche gegen eine durch Brustkompression verursachte Atemfunktionsstörung das von den Zeugen geschilderte akute Auftreten des Kreislaufzusammenbruchs. Im Falle einer Brustkompression sei andererseits nämlich von einem langsam fortschreitenden (progredienten) Ein- tritt des Kreislaufzusammenbruchs auszugehen.

Im Rahmen der bisherigen Vorermittlungen konnten insb. zwei unabhängige Augenzeugen ermittelt werden, die bereits das Zubodenbringen und die Fesselung des 31-jährigen Verstorbenen bis hin zum Eintritt des Kreislaufzusammenbruchs beobachten konnten. Nachdem keiner der Zeugen ein potenziell strafbares Verhalten der eingesetzten Polizeibeamten/innen schildert und sich auch aus der rechtsmedizinischen Begutachtung keine aussagekräftigen Hinweise auf ein solches Verhalten ergeben haben, besteht weiterhin kein Anfangsverdacht einer Straftat.

Der Rechtsanwalt der Familie des Verstorbenen erhält Gelegenheit, zum Ergebnis der Begutachtung Stellung zu nehmen und ergänzende Fragen zu formulieren.

Auf die vorausgegangenen Pressemitteilungen vom 21.03.2022 und 22.03.2022 wird Bezug genommen. Diese können unter https://www.justiz.bayern.de/gerichte- und-behoerden/staatsanwaltschaft/regensburg/aktuelle_pressemitteilungen.php abgerufen werden.

 

Wir haben über den Fall berichtet:

 

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