Mi, 07.12.2022 , 11:45 Uhr

Großrazzia in Reichsbürgerszene: 25 Festnahmen - Durchsuchung auch im Raum Regensburg

Es ist die wohl einer der größten Razzien in Deutschland gewesen: Rund 3.000 Polizeibeamte sind am Mittwochmorgen in elf Bundesländern im Einsatz gewesen, 25 Personen wurden festgenommen. Es gab auch eine Durchsuchung im Raum Regensburg.

25 Personen festgenommen – 13 Personen in Untersuchungshaft

Sie sollen einen Umsturz geplant und dafür teilweise auch mit Waffen trainiert haben: Die Bundesanwaltschaft hat 25 Menschen aus der sogenannten Reichsbürgerszene festnehmen lassen. Rund 3000 Polizeibeamte seien am Mittwochmorgen in elf Bundesländern im Einsatz gewesen, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe der Deutschen Presse-Agentur. Die terroristische Vereinigung habe die staatliche Ordnung in Deutschland stürzen und durch eine eigene ersetzen wollen, die in Grundzügen schon ausgearbeitet sei. Dafür hätte sie auch Tote in Kauf genommen.

Die Bundesanwaltschaft ließ am Mittwoch Menschen in elf Bundesländern sowie in Italien und Österreich festnehmen, darunter eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und amtierende Richterin. Als ein Rädelsführer gilt der Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß aus Hessen. Auch er ist nach den Angaben von Generalbundesanwalt Frank unter jenen, für die Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof Untersuchungshaft angeordnet haben.

22 der Festgenommenen wirft die Behörde vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, zwei davon als Rädelsführer. Drei weitere gelten als Unterstützer. Mit Ausnahme einer Russin haben alle die deutsche Staatsbürgerschaft. Darüber hinaus gebe es 27 weitere Beschuldigte. Laut Frank gab es rund 150 Durchsuchungen. Die Beamten hätten umfangreiches Material sichergestellt.

Mehr als die Hälfte der 25 am Mittwoch festgenommenen Verdächtigen aus der Reichsbürgerszene ist inzwischen in Untersuchungshaft. In 13 Fällen hätten Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof die Haftbefehle in Vollzug gesetzt, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am späten Nachmittag. In keinem Fall, über den schon entschieden wurde, seien die Betroffenen wieder auf freien Fuß gekommen. Planmäßig sollen auch an diesem Donnerstag noch Verdächtige den Richtern vorgeführt werden.

«Wir haben noch keinen Namen für diese Vereinigung», sagte die Sprecherin. Diese begründe sich den Erkenntnissen zufolge auf Verschwörungsmythen. Die Mitglieder seien der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten Deep States, eines «tiefen Staats», regiert werde, hieß es in einer Mitteilung. Ein Angriff eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika stehe dieser Überzeugung nach kurz bevor.

 

Machtübernahme von Deutschland geplant – auch mit Militär

Spätestens Ende November 2021 sollen die Menschen die Gruppierung gegründet haben. Zentrales Gremium sei ein «Rat». Dieser verfüge ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung über Ressorts wie Justiz, Außen und Gesundheit. «Die Mitglieder des „Rates“ haben sich seit November 2021 regelmäßig im Verbogenen getroffen, um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen», teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Ein «militärischer Arm» sollte den demokratischen Rechtsstaat auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen «beseitigen», hieß es. Der Vereinigung sei bewusst, dass es dabei zu Toten kommen werde. «Sie nimmt dieses Szenario aber als notwendigen Zwischenschritt zur Erreichung des von ihr angestrebten „Systemwechsels auf allen Ebenen“ zumindest billigend in Kauf.» Einige mutmaßliche Mitglieder des militärischen Arms hätten aktiv Dienst in der Bundeswehr geleistet.

Auch hätten sie vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei für den geplanten Staatsumsturz rekrutieren wollen. Bei mindestens vier Treffen in Baden-Württemberg im Sommer hätten mutmaßliche Mitglieder für die terroristische Vereinigung und ihre Ziele geworben. Im Herbst hätten Beschuldigte in Norddeutschland gezielt Polizeibeamte für die Vereinigung gewinnen wollen. Angehörige des «militärischen Arms» hätten Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ausgekundschaftet, «um sie auf ihre Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz zu inspizieren».

 

Haus von Bundeswehrsoldat durchsucht

Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft richten sich auch gegen einen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr und mehrere Reservisten der Bundeswehr. Der aktive Soldat sei im Stab des KSK eingesetzt, sagte ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Nach Informationen der dpa handelt es sich um einen Unteroffizier. Demnach wurden sein Haus und sein Dienstzimmer in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw (Baden-Württemberg) durchsucht.

Festgenommen wurden die Menschen den Angaben nach in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen sowie jeweils eine Person in Österreich und Italien. Durchsuchungen habe es darüber hinaus in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland gegeben. Noch am Mittwoch wollte die Bundesanwaltschaft mit der Vernehmung der ersten Festgenommenen beginnen, wie die Sprecherin sagte.

 

 

Verbindung zu geplanter Entführung von Karl Lauterbach

Bundesjustizminister Marco Buschmann bezeichnete die bundesweite Razzia als «Anti-Terror-Einsatz». «Demokratie ist wehrhaft: Seit heute Morgen findet ein großer Anti-Terror-Einsatz statt», schrieb der FDP-Politiker am Mittwochmorgen auf Twitter.

Ausgangspunkt der Ermittlungen sollen Verbindungen von Mitgliedern der nun ausgehobenen Vereinigung zu Angehörigen der Gruppe «Vereinte Patrioten» sein, die im April festgenommen worden waren und geplant haben sollen, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu entführen.

 

Über 20.000 Anhänger der Reichsbürger-Szene in Deutschland

«Reichsbürger» sind Menschen, welche die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Oft stehen sie im Konflikt mit Behörden. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhänger zu.

Bei etwa fünf Prozent von ihnen, also rund 1150, handelt es sich nach Angaben der Behörde um Rechtsextremisten. Im Jahr 2021 rechnete der Verfassungsschutz der Szene «Reichsbürger und Selbstverwalter» 1011 extremistische Straftaten zu.

Bei einer Razzia im Jahr 2016 hatte ein sogenannter Reichsbürger im bayerischen Georgensgmünd auf vier Polizisten geschossen. Einer von ihnen erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Das Spezialeinsatzkommando wollte die Waffen des Jägers beschlagnahmen.

 

 

dpa / MB

Das könnte Dich auch interessieren

31.01.2024 Ostbayern: Landwirte blockieren Autobahnauffahrten Am heutigen Mittwoch protestierten auch die Landwirte in Ostbayern. Sie blockierten Autobahnauffahrten, insbesondere bei der A3 und A93. 30.01.2024 Autobahnauffahrten werden gesperrt: Erneute Protestaktion der Landwirte am 31.01. Für den morgigen Mittwoch haben die Landwirte in ganz Deutschland wieder Proteste angekündigt. Im Raum Regensburg und Kelheim sollen die Autobahnauffahrten blockiert werden. 06.09.2024 Oberpfalz: Aktionstage zur Überwachung der Gurtanlege- und Kindersicherungspflicht Vom 10. September bis zum 13. September finden bayernweite Aktionstage zur Überwachung der Gurtanlege- und Kindersicherungspflicht statt. 22.08.2024 Oberpfalz: Aktuell vermehrt Callcenter-Betrüger unterwegs Seit dem Vormittag kommt es in der Oberpfalz vermehrt betrügerischen Telefonanrufen. Die Polizei warnt vor den verschiedenen Maschen der Betrüger!