Die Freien Wähler gehen gleich mit einer doppelten Verfassungsbeschwerde gegen die Bundes-Notbremse im Kampf gegen das Coronavirus vor. Man wolle damit die «Freiheitsrechte» der Bürger verteidigen, sagte der Bundesvorsitzende Hubert Aiwanger bei der Vorstellung der ersten Klageschrift am Donnerstag in Berlin. Damit wenden sich die Freien Wähler zunächst gegen die bundeseinheitliche nächtliche Ausgangssperre in Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100. Mit einer zweiten Verfassungsbeschwerde wollen sie dann auch die geplante Notbremsen-Regel für den Handel zu Fall bringen.
Zuvor aber setzen die Freien Wähler auf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: Diesem haben sie ihre erste Verfassungsbeschwerde nach eigenen Angaben bereits zukommen lassen - in der Hoffnung, dass dieser die Gesetzesänderung, die am Donnerstag nach dem Bundestag auch im Bundesrat verabschiedet werden sollte, nicht unterschreibt. Erst dann soll die Klage notfalls in Karlsruhe eingereicht werden.
Aiwanger argumentierte, der Bund habe weder die Kompetenzen noch die Mittel, um derart nach unten «durchregieren» zu können, ohne dass regionale Besonderheiten einfließen könnten. «Der Bund wird übergriffig mit einer Politik, die nicht sinnhaft ist», sagte er und sprach von einem großen Fehler, der verfassungsrechtlich unzulässig sei. «Dieses Vorgehen der Bundesregierung ist demokratieschädlich, weil es andere Institutionen, Länder und Kommunen aushebelt.»
Es gehe nicht darum, Corona zu leugnen oder infrage zu stellen, betonte Aiwanger. Es gehe auch nicht darum, den Gesundheitsschutz zu verschlechtern, hieß es - im Gegenteil: Landesregierungen und Landräte könnten den Kampf gegen Corona viel zielgenauer und damit effektiver führen. Auch Ausgangssperren könnten in dem einen oder anderen Fall sinnvoll sein - aber eben nicht mit einem bundesweiten Automatismus. «Ich bin bass erstaunt, mit welcher Bereitwilligkeit die Länder ihre Kompetenzen nach Berlin abgeben», sagte Aiwanger.
Die Freien Wähler sitzen in Bayern zusammen mit der CSU in der Regierung. Dort tragen sie die nächtlichen Ausgangssperren schon seit längerem mit. Das sei aber kein Widerspruch, argumentierte Aiwanger. Im Winter habe man das unterstützt - und unter anderem durchgesetzt, dass der Beginn inzwischen erst um 22.00 und nicht um 21.00 Uhr ist. Er kündigte aber einen Vorstoß gegenüber dem großen Koalitionspartner CSU an, dass die Regelung in der jetzigen Form nicht noch einmal verlängert werde. Oder aber die Regelung solle erst ab einer noch späteren Uhrzeit oder bei einer höheren Sieben-Tage-Inzidenz greifen.
dpa