Werden die bayerischen Regelungen in der Corona-Pandemie auf ganz Deutschland angewendet? Momentan sieht es ganz danach aus. Bei den Bund-Länder-Gesprächen am Dienstag wird es wohl um Ausgangssperren und eine FFP2-Maskenpflicht im ÖPNV gehen - beides Regelungen, die im Freistaat bereits gelten. Zudem wäre aber unter anderem auch eine Homeoffice-Pflicht im Gespräch.
«Es liegt eine Auswahl von Möglichkeiten auf dem Tisch», sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier der «Rheinischen Post» (Montag). Er nannte neben der FFP2-Maskenpflicht im Bahnverkehr und den Ausgangssperren auch eine Homeoffice-Pflicht und deutlichere Kontaktbeschränkungen. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte derweil, er rechne damit, dass Bund und Länder die Corona-Beschränkungen verschärfen und um zwei Wochen verlängern würden.
In Bayern müssen die Menschen seit den Morgenstunden in Bussen, Trams, U- und S-Bahnen sowie in allen Geschäften FFP2-Schutzmasken tragen. Auch eine nächtliche Ausgangssperre gilt im Freistaat bereits. Vor den Beratungen am Dienstag sieht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sein eigenes Bundesland im Kampf gegen die Pandemie deshalb auch bereits gut aufgestellt. «Wir brauchen da an keiner Schraube mehr, glaub ich, ziehen», sagte der CSU-Chef am Sonntagabend in der ARD-Talkshow «Anne Will».
Stattdessen forderte Söder die anderen Länder auf, die bei der Ministerpräsidentenkonferenz getroffenen Beschlüsse konsequenter umzusetzen. «Die Hälfte der Länder macht ja was ganz anderes», sagte er. «So dass man auch immer wieder die Frage stellen muss: Warum beschließen wir etwas, wo dann die Hälfte das anders macht.» Söder forderte ein konsequentes Anwenden und Umsetzen von dem, was in Berlin beschlossen werde. «Ich halte auch nichts von endlosen Differenzierungen - denn nur was für alle gilt, ist verständlich.»
Söder sieht die Vorschriften in Bayern als eine Art Blaupause für Bundesregelungen. Nach Informationen des «Business Insiders» will das Kanzleramt sogar eine bundesweit einheitliche nächtliche Ausgangssperre einführen, wie es sie bereits in Frankreich oder anderen Nachbarstaaten gibt. Aus den Bundesländern ist aber auch zu vernehmen, dass derzeit alles diskutiert werde, was diskutiert werden könne.
Vizekanzler Olaf Scholz sagte im «Bild»-Talk «Die richtigen Fragen»: «Es müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden.» (...). «Ich gehe davon aus, dass das schon 14 Tage sein können, die noch einmal dazu kommen.» Ob dazu auch Ausgangssperren gehören, wollte der Vizekanzler nicht ausschließen: «Ich finde, das ist eine mögliche Maßnahme, aber nicht die, die als allererste ansteht.»
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sprach sich sogar für einen harten, dreiwöchigen Lockdown aus. Das Wachstum der Mutation müsse unbedingt verhindert werden, schrieb er am frühen Montagmorgen auf Twitter. Ansonsten verbreite sich die Mutation «schneller, als wir impfen können». Ausgangssperren ab 20 Uhr seien aus seiner Sicht für drei Wochen vertretbar. Für den Öffentlichen Nahverkehr plädiere er für Besetzungsobergrenzen und FFP2-Maskenpflicht.
Vor der Bund-Länder-Schalte gibt es also noch einiges an Abstimmungsbedarf. Am Montag lassen sich die Spitzen von Bund und Ländern von führenden Wissenschaftlern über neue Erkenntnisse informieren. «Da sind die dabei, die sie alle kennen», sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bei «Anne Will» und nannte namentlich den RKI-Präsidenten Lothar Wieler und den Charité-Virologen Christian Drosten.
Zur Frage, warum die Bund-Länder-Beratung am Dienstag so kurzfristig angesetzt wurde und warum die Lage so dränge, sagte Bouffier: «Was wir gar nicht einschätzen können, ist das britische Virus. Das ist der Grund, warum wir jetzt tagen.» Dieses Mal werde man auch Wissenschaftler aus Großbritannien dabei haben. «Da wird es darum gehen: Welche Erkenntnisse habt ihr.» In Großbritannien hat sich eine wohl ansteckendere Mutation des Coronavirus stark verbreitet, die inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen wurde. Auch in Südafrika ist eine vergleichbare Variante aufgetaucht.
Es bestehe die Gefahr, dass sich die Dynamik noch einmal beschleunige, wenn sich die Virus-Mutationen weiter ausbreiteten, sagte Altmaier. «Deshalb müssen wir jetzt - und das ist explizit meine Meinung als Wirtschaftsminister - auf der Ministerpräsidentenkonferenz die Weichen so stellen, dass wir in den nächsten Wochen die Infektionswelle endgültig brechen und ein erneutes Hochschießen der Dynamik bis Ostern verhindern.»
SPD-Chefin Saskia Esken sprach bei «Anne Will» wie Altmaier von der Homeoffice-Pflicht: Man werde in den Unternehmen möglicherweise Homeoffice anordnen müssen, sagte sie. Auch Scholz forderte, die Betriebe in Sachen Homeoffice mehr in die Pflicht zu nehmen, es könne dort «nicht bei Appellen» bleiben, sagte er in dem «Bild»-Talk. «Wir müssen da noch einen Schritt weiter machen.» Von einer Homeoffice-Pflicht wollte er aber nicht sprechen: Es werde immer darauf ankommen, «dass das betrieblich auch geht. Wir wollen ja pragmatisch bleiben und nichts Unmögliches verlangen».
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fordert im Kampf gegen das Virus eine Initiative zur Ausweitung von Corona-Schnelltests. «Mit Abnahmegarantien und einer Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung muss Gesundheitsminister (Jens) Spahn sicherstellen, dass ausreichend Schnelltests produziert und auch von Privatpersonen gekauft und angewendet werden können», sagte Göring-Eckardt den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Regelmäßige Schnelltests sollten laut Göring-Eckardt in allen Berufen, in denen Menschen regelmäßig mit wechselnden Kontakten arbeiten, für mehr Sicherheit sorgen. Als Beispiel nannte sie Ärzte, Pflegekräfte oder Polizisten.
Die Virologin Marylyn Addo erwartet in der Corona-Pandemie vom Frühjahr an und im Sommer eine deutliche Entspannung. «Schon wegen des wärmeren Wetters und der höheren Impfquote», sagte die Leiterin der Sektion Infektiologie vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Montag).
dpa/MB