Die CSU fordert eine grundlegende Reform der Europäischen Union. «Jetzt fordern wir nach 60 Jahren europäischer Einigung einen Systemcheck, welche Aufgaben zwingend auf EU-Ebene und welche sinnvoller auf Bundes- und Länderebene angesiedelt werden», heißt es in einem sechsseitigen Papier zur künftigen Europapolitik der Christsozialen, welches am Montag vom Parteivorstand in München beschlossen werden soll und der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt. Zuvor hatte bereits die «Passauer Neue Presse» daraus berichtet.
Neben einem endgültigen Aus für jegliche Beitrittsgespräche mit der Türkei müsse es eine europaweite Verteilung von Flüchtlingen mit festen Obergrenzen geben. Letzteres dürfte bei der CDU auf wenig Begeisterung stoßen, denn die Partei von Kanzlerin Angela Merkel lehnt eine starre Begrenzung für Deutschland seit Monaten gegen den Druck aus Bayern kategorisch ab.
«Für uns ist 2017 das Schlüsseljahr, ob Europa eine gute Zukunft hat», sagte Parteivize Manfred Weber der dpa. Der Niederbayer, der auch Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament ist, hatte das Papier maßgeblich mitgeschrieben. Demnach müsse sich die EU vom Klein-Klein verabschieden, erwachsen werden und mehr Verantwortung übernehmen. Pünktlich zum Auftakt des Bundestagswahljahres soll das CSU-Papier mit dem Titel «Zehn Punkte für ein bürgerliches Europa» eine deutliche Abgrenzung zum designierten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz darstellen.
Stabilität und Haftungsprinzip müssten für die CSU Leitmotive bei der Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion sein. Dazu gehöre sowohl das Ende der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank als auch eine klare Absage an die Vergemeinschaftung wirtschaftliche Risiken und Verluste unter den EU-Mitgliedsstaaten.
Aber auch europakritische und feindlichen Aussagen von Populisten wie US-Präsident Donald Trump soll damit eine klare Antwort gegeben werden. «Europa muss für seine Bürger wieder etwas Begehrenswertes werden – eine Gemeinschaft, die die Menschen und die Völker zusammenführt», heißt es im Papier.
«Anders als die SPD und ihr Kanzlerkandidat wollen wir, dass es klar definierte Grenzen für Europa gibt, etwa bei der Aufnahme von Migranten, und einen Stopp der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei», sagte Weber. Eine Aufweichung der Euro-Stabilitätskriterien lehne die CSU kategorisch ab. «Eine Transfer- und Schuldenunion, wie sie SPD und Linke in Kauf nehmen, muss verhindert werden.»
Wie für Bayern und ganz Deutschland fordert die CSU auch in Europa eine deutliche Verschärfung der Sicherheitspolitik: «Europa muss einen europaweiten Informationsaustausch, eine systematische Dateneingabe durch alle EU-Mitgliedstaaten, den Aufbau einer europaweiten Gefährderdatei, eine durchdachte Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene sowie ein Ein- und Ausreiseregister verwirklichen.» Internetunternehmen wie Facebook und Google sollen notfalls gezwungen werden, besser mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten.
«Wir halten an der Schengen-Idee fest. Bis aber der Schutz der EU-Außengrenzen ausreichend funktioniert, ist weiterhin die Kontrolle der deutschen Binnengrenzen erforderlich», heißt es weiter im Papier. Europaweit müssten auch zentrale Verkehrswege intensiver überwacht werden. Staaten, die ihre Verpflichtungen aus den Schengen-Regeln nicht erfüllten, müssten den Schengen-Raum temporär verlassen.
Als Reaktion auf die neue US-Politik unter Trump verlangt die CSU von allen EU-Mitgliedstaaten mehr Anstrengungen für eine unabhängige Außen- und Verteidigungspolitik. «In Zukunft muss Europa selbstbewusster auftreten, neue sicherheitspolitische Fähigkeiten entwickeln und mehr Verantwortung übernehmen. Hierzu muss Europa seine Rüstungsbeschaffungen bündeln und ein gemeinsames Hauptquartier in enger Kooperation mit der NATO etablieren.» Ziel sei eine europäischen Armee. Zentrale Aufgabe sei dabei der Erhalt der Rüstungsindustrie in Europa, um Fähigkeiten wie die Drohnentechnologie zu entwickeln.
dpa