Do, 27.01.2022 , 15:43 Uhr

«Erschüttert»: Marx entschuldigt sich nach Missbrauchsgutachten

Das Gutachten über sexuellen Missbrauch im Erzbistum München und Freising hat nicht nur viele Gläubige zutiefst erschüttert. Kardinal Marx hat sich nun erneut für das Leid und den Vertrauensverlust entschuldigt. Die Kirche müsse aufklären, um sich zu erneuern. Auf die Falschaussage von Papst Benedikt will Marx nicht eingehen.

Als Reaktion auf das erschütternde Missbrauchsgutachten im Erzbistum München und Freising hat Kardinal Reinhard Marx Betroffene wie Gläubige erneut um Entschuldigung gebeten und eine Erneuerung der Kirche gefordert. «Wir sehen ein Desaster», sagte Marx am Donnerstag in München mit Blick auf das vor einer Woche vorgelegte Gutachten zum sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Erzbistum. «Wer jetzt noch systemische Ursachen leugnet und einer notwendigen Reform der Kirche in Haltungen und Strukturen entgegentritt, hat die Herausforderung nicht verstanden.»

 

Fehlverhalten auch bei Marx

Die Gutachter werfen auch Erzbischof Marx selbst zwei Fälle von Fehlverhalten beim Umgang mit Verdachtsfällen vor. Er werfe sich vor, dass er engagierter hätte handeln können und ein einem Fall nicht aktiv auf Betroffene zugegangen zu sein, sagte Marx. Es sei für ihn persönlich unverzeihlich, die Betroffenen übersehen zu haben. «Ich war und bin nicht gleichgültig.» Marx bot dem Papst allerdings nicht, wie von manchen erwartet, ein zweites Mal seinen Rücktritt an, betonte jedoch: «Ich klebe nicht an meinem Amt.»

 

Kirchenrechtler und BR-Rundfunkrats-Chef Wolf lässt Ämter ruhen

Personelle Konsequenzen zog Marx dabei zunächst nicht. Jeder Verantwortliche solle selbst prüfen, wo er sich schuldig gemacht und welche Folgen er daraus zu ziehen habe, sagte er. Prälat Lorenz Wolf, der im Gutachten stark kritisiert wird, habe ihm mitgeteilt, dass er alle Ämter und Aufgaben ruhen lassen werde. Dies habe er akzeptiert.

Der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR) bestätigte indes auf Anfrage, dass Wolf sein Amt als Vorsitzender des Gremiums ruhen lassen werde. Er habe bis auf Weiteres seinen Stellvertreter in dem Aufsichtsgremium des öffentlich-rechtlichen Senders, Godehard Ruppert, die Geschäftsführung des Rundfunkrats übergeben.

 

Marx weicht Fragen zu Benedikts Falschaussage aus

Der Münchner Kardinal will die Falschaussage des früheren Papstes Benedikt XVI. zu seinem Umgang mit einem Missbrauchspriester nicht kommentieren. «Ich akzeptiere, dass er hier die Fakten anders interpretiert, dass er bedauert, und ich denke, er wird sich dazu dann im Ganzen noch einmal äußern. Das wäre auch gut, das würde ich begrüßen», sagte Marx am Donnerstag in einer Pressekonferenz in München. Auf weitere Fragen zu Benedikt antwortete er ausweichend und verwies darauf, dass er das vor einer Woche vorgestellte Gutachten zum Umgang von Münchner Bistumsverantwortlichen mit Missbrauchsvorwürfen noch nicht durchgearbeitet habe.

Benedikt hatte sich am Montag in einem wesentlichen Punkt korrigiert. Anders als in seiner 82-seitigen Stellungnahme zu dem Münchner Gutachten angegeben, habe er doch an einer wichtigen Sitzung teilgenommen, teilte er mit. In der Sitzung ging es unter anderem um einen Missbrauchspriester. Die falsche Angabe war nach Angaben von Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein auf ein technisches Versehen zurückzuführen. Die Selbstkorrektur hatte international Aufsehen erregt.

 

Reformen statt Rücktritt

Allerdings seien Reformen für ihn unabdingbar, betonte Marx: «Es gibt keine Zukunft des Christentums in unserem Land ohne eine erneuerte Kirche!» Nach der Lektüre des Gutachtens sei er erneut erschüttert und erschrocken, vor allem über das Leid der Betroffenen, aber auch über Täter und Beschuldigte und über das Verhalten von Verantwortlichen. «Für mich ist die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs Teil einer umfassenden Erneuerung und Reform, wie das der Synodale Weg aufgegriffen hat.»

Das vom Erzbistum München und Freising selbst in Auftrag gegebene Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) war zu dem Ergebnis gekommen, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt worden waren. Es wirft auch den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, dem heute emeritierten Papst Benedikt XVI., konkret und persönlich Fehlverhalten in mehreren Fällen vor. Insgesamt sprechen die Gutachter von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern, sie gehen aber von einem deutlich größeren Dunkelfeld aus.

 

dpa/JM

 

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