Do, 16.07.2020 , 11:33 Uhr

Ein Jahr "Rettet die Bienen" - Initiatoren sehen noch Nachholbedarf

Vor einem Jahr, am 17. Juli 2019, hat der bayerische Landtag das Volksbegehren für mehr Tier- und Naturschutz angenommen. Jetzt haben Initiatoren, die Staatsregierung und der Bauernverband ein erstes Fazit gezogen und das fällt höchst unterschiedlich aus. 

 

«Die Übernahme durch die Regierung erfolgte aus politischem Kalkül und nicht aus Überzeugung.», so Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Es fehle oft an einer Datenbasis, die Voraussetzung für Umsetzung und Messbarkeit einzelner Maßnahmen sei.

Als Beispiel nannte Hartmann die sogenannte Bioquote für die Landwirtschaft. Das Gesetz sieht vor, dass mindestens 50 Prozent der in staatlichen Kantinen verwendeten Waren aus biologischer oder regionaler Erzeugung stammen. «Zunächst schienen wir uns alle einig, dass wir den Bioanteil in der Landwirtschaft erhöhen und den Bioabsatz deshalb ankurbeln müssen», sagte Hartmann. Nun scheitere schon dieses Ziel daran, dass die Staatsregierung nicht wisse, wie viel Bio in ihren Kantinen auf den Tisch komme, und daher auch keinen Plan für mehr Bio habe. «Hier fehlt es letztlich am echten Willen, die Herausforderungen anzupacken und zum Besseren zu lösen.»

Hartmann bezieht sich in seiner Kritik auf eine Antwort des Agrarministeriums auf eine Parlamentsanfrage zur Verwendung von Bio-Schweinefleisch in Kantinen. Darin heißt es, «derzeit liegen keine aktuellen Daten vor». Gleichwohl bekräftigt die Staatsregierung ihr Ziel, den Anteil regionaler und ökologischer Lebensmittel in staatlichen Kantinen bis 2025 auf 50 Prozent erhöhen zu wollen.

 

Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) sagte dagegen, man habe die gestellte «Mammutaufgabe» entschlossen angepackt und einen Großteil der Maßnahmen bereits umgesetzt oder sei konkret dabei. Sie habe dabei stets größten Wert darauf gelegt, dass die Bauern die strengen Vorgaben auch vernünftig in die Praxis umsetzen könnten. «Die kluge Umsetzung in Bayern hat es ermöglicht, unverständliche, bürokratische und unpraktikable Regelungen zu vermeiden und wirtschaftlichen Schaden für die Landwirtschaft absolut zu minimieren», sagte sie.

 

Bauernpräsident Walter Heidl beklagte dagegen unter anderem, der zugesagte finanzielle Ausgleich bei den Gewässerrandstreifen fehle nach wie vor. Und die Regelungen zum Walzverbot ab 15. März auf den Feldern und Wiesen seien kompliziert und ungeheuer bürokratisch – hier brauche es noch Korrekturen. Zudem sei noch nicht erkennbar, dass der Schutz der Artenvielfalt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. «Während wir Bäuerinnen und Bauern nun noch mehr für die Artenvielfalt tun, fehlen auch ein Jahr nach der Verabschiedung des Volksbegehrens weiter verbindliche Vorgaben und Regeln für andere Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft», kritisierte Heidl. Artenschutz gehe alle an. «Doch die bisherigen Ergänzungen sind viel zu vage und unverbindlich. Nötig sind konkrete Vereinbarungen.»

 

Umweltminister Glauber betont Erfolge durch Bienen-Volksbegehren

Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) betonte, dass im vergangenen Jahr im Bereich des Artenschutzes 75 Millionen Euro zusätzlich investiert und landesweit 170 neue Stellen geschaffen worden seien.

Als ein Ziel für die Zukunft nannte der Minister die Schaffung von zusätzlichen Streuobstwiesen, um die Kulturlandschaft zu erhalten und Bienen blühende Obstbäume zur Verfügung stellen zu können. Zudem sollten im Freistaat zusätzliche Moore entstehen, da diese als Speicher des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid dienten. Artenschutz und Klimaschutz hingen eng zusammen, betonte Glauber.

 

DVL: Sicherung der Umsetzung durch gezielte Förderung

Die bayerischen Landschaftspflegeverbände (LPV) fordern, die Umsetzung des erfolgreichsten bayerischen Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ durch gezielte Förderung zu sichern. Den Gesetzen müssen jetzt verlässliche Finanzen folgen, um die Ziele des Naturschutzes gemeinsam mit Landschaftspflegeverbänden zeitnah umzusetzen.

„Täglich arbeiten unsere Landschaftspflegeverbände an der praktischen Umsetzung des Volksbegehrens und des gleichzeitig verabschiedeten Begleitgesetzes. Damit sie unsere Heimat auch in Zukunft bewahren können, sind verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen für Landwirtinnen und Landwirte und alle anderen Grundeigentümer notwendig!“, mahnt Josef Göppel MdB a.D., Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege.

Die Landschaftspflegeverbände sehen gute Chancen, die Ziele des Volksbegehrens gemeinsam mit ihren Partnern aus der Landwirtschaft umzusetzen. So kann zum Beispiel mit der Festlegung der umstrittenen Gewässerränder die Vernetzung ökologisch hochwertiger Gebiete entlang von Fließgewässern erheblich verbessert werden. Mit einer umfassenden Beratung, wie sie im Naturschutzgesetz nun festgeschrieben ist, sowie gut ausgestatteten Förderprogrammen sind naturschutzorientierte Maßnahmen möglich, die sogar über die rechtlichen Vorgaben hinausgehen.

 

LBV: Holprige Umsetzung des Volksbegehrens Artenvielfalt

Laut dem Monitoring-Bericht der Wissenschaftler um Prof. Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) sind derzeit die unmittelbaren Auswirkungen des Volksbegehrens in einigen Bereichen bereits ablesbar. Dies zeigt zum Beispiel die Ankündigung, vier größere staatliche Waldgebiete Bayerns als Naturwälder zusätzlich unter Schutz zu stellen. Auch die Erhöhung der Streuobstförderung im Vertragsnaturschutzprogramm oder die Einstellung neuer Wildlebensraumberater kann in diesem Zusammenhang genannt werden. Jedoch fehlen teilweise konkrete Definitionen wie Angaben zur räumlichen Verteilung des grünen Netzwerks im Wald oder beim Biotopverbund.

Der ökologische Landbau soll bis zum Jahr 2025 mindestens 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen umfassen. Hier ist bereits ein guter Trend erkennbar. Der Anteil von Grünlandflächen mit spätem Mahdzeitpunkt dagegen, der bereits 2020 bei einem Flächenanteil von zehn Prozent liegen sollte, wird wohl nicht erreicht werden.

Negativ vermerken die Wissenschaftler, dass für einen wesentlichen Teil der Indikatoren die Ausgangsdaten fehlen: dies betrifft die neu geschützten Grünlandbiotope, die Anwendung von Pestiziden, die geplante Bewirtschaftung der Straßenbegleitflächen als Magergrünland oder das Verbot garten- und ackerbaulicher Nutzung im Gewässerrandstreifen. Maßnahmen aus dem Bereich Bildung oder Siedlung sind nur schwer zu bemessen. So sollen hier, aus Sicht von Lenz, konkrete Studien helfen, beispielsweise die Umsetzung der geänderten Lehrpläne zu den Zielen des Naturschutzes oder den Aufgaben der Landwirtschaft einschätzen und bewerten zu können. Eine Kontrolle der Beleuchtung öffentlicher Anlagen oder beleuchteter Werbeanlagen im Außenbereich kann nur über Stichproben erfolgen.

Zum jetzigen Zeitpunkt können nur anfängliche Bemühungen dargestellt werden. Da das Ziel des Volksbegehrens auf eine langfristige Umsetzung ausgerichtet ist, können bestimmte Bereiche nach einem Jahr nur schwer beurteilt werden. Der Wert der Indikatoren und die Auswirkungen der neuen Gesetze werden erst in den nächsten Jahren deutlicher werden.

 

Hintergrund:

Am 17. Juli 2019 hatte der Landtag das Volksbegehren «Rettet die Bienen» angenommen und ein Begleitgesetz sowie einen umfangreichen Maßnahmenkatalog beschlossen. Kurz darauf vereinbarte der Trägerkreis des Volksbegehrens, die Umsetzung der Maßnahmen von unabhängigen Wissenschaftlern der Hochschule Nürtingen überprüfen zu lassen. An diesem Donnerstag (12.00 Uhr) wollen die Initiatoren in München Bilanz ziehen.

Das Volksbegehren hatte 2019 eine nie da gewesene Rekordbeteiligung erreicht und damit die schwarz-orange Staatsregierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) massiv unter Zugzwang gesetzt. Am Ende forderten 18,3 Prozent der Wahlberechtigten – fast 1,75 Millionen Menschen – mit ihren Unterschriften einen stärkeren Natur- und Artenschutz in Bayern. Um die Kritiker des Volksbegehrens, etwa unter den Landwirten, aber auch in den Reihen von CSU und Freien Wählern, zu beruhigen, hatte Söder zudem einen runden Tisch initiiert, um alle Interessen in Einklang zu bringen.

Mit der Annahme des Volksbegehrens verhinderte die Regierung einen Volksentscheid, dieser hätte sonst auch das Artenschutzgesetz gegen den Willen der Regierung durchsetzen können. Zudem beschloss der Landtag auch ein sogenanntes Versöhnungsgesetz, das finanzielle Ausgleiche für die Bauern vorsieht, sowie einen Maßnahmenkatalog mit Regelungen etwa zur Kartierung von Biotopen.

Die neuen Gesetze sehen strengere Regeln im Umwelt-, Natur- und Artenschutz vor. Unter anderem müssen Biotope besser vernetzt, Gewässerrandstreifen an Äckern und Straßen besser geschützt, der Einsatz von Pestiziden eingeschränkt und der ökologische Anbau deutlich ausgebaut werden.

 

 

dpa / LBV /  Deutscher Verband für Landschaftspflege / MB

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