Die Corona-Herbstwelle sorgt in immer mehr bayerischen Städten und Landkreisen für vierstellige Inzidenzen und belastet die Krankenhäuser. Am Freitagmorgen meldete das Robert Koch-Institut in Berlin für neun Landkreise und die Landeshauptstadt München offizielle Werte über 1000. Bayernweit stieg die Inzidenz auf 818, das ist ein Plus von knapp 25 Prozent binnen einer Woche und der zweithöchste Wert aller Bundesländer.
Damit steigen die Werte aktuell nicht mehr so schnell wie in der vorletzten Woche, als sie gerade in und um München – wohl auch als Folge des Oktoberfestes – besonders stark gestiegen waren. Allerdings sind sie derzeit möglicherweise noch durch den Feiertag am Montag verzerrt.
Der Anstieg ist auch in den Krankenhäusern sichtbar. München meldete am Freitag eine Belegung von 552 Patienten mit Corona auf Normal-, Intensiv- und Übergangsstationen, das sind 47 Prozent mehr als vor einer Woche. Bayernweit stieg die Zahl der binnen einer Woche mit oder wegen Corona eingelieferten Patienten auf ein Allzeithoch von 1849, wie aus Zahlen des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hervorgeht.
Beide Zahlen enthalten allerdings auch einen hohen Anteil von Patienten, die aus anderen Gründen eingeliefert und im Krankenhaus positiv getestet wurden. Mehrere Krankenhäuser sehen die Patienten, die mit und nicht wegen Corona kommen, sogar in der Überzahl.
Der bayernweite Rekord ist allerdings auch ein Indiz dafür, wie stark die aktuelle Infektionswelle ist, denn die reinen Inzidenzzahlen haben an Aussagekraft eingebüßt. Experten gehen inzwischen von einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Corona-Fälle aus – vor allem, weil bei weitem nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen. Nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik.
Doch wie ist die Lage in den Münchner Kliniken? Dazu gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Vom Universitätsklinikum Rechts der Isar heißt es, man beobachte eine spürbare Zunahme von Patienten mit Corona, «allerdings keinen Anstieg relevanter Covid-19-bedingter Lungenentzündungen» oder anderer schwerer Verläufe. Die Personalsituation sei zwar «weiterhin angespannt, spürbare Konsequenzen für die Krankenversorgung gibt es derzeit jedoch nicht».
Im Klinikum Dritter Orden sind es ebenfalls vor allem Patienten mit und nicht wegen Corona, allerdings habe man derzeit viele Personalausfälle wegen Covid-19, was den generellen Personalmangel verschärfe.
Die Kliniken der Ludwig-Maximilians-Universität berichten dagegen von einer «sehr angespannten» Coronalage in München. Da alle Patienten mit Corona «isoliert werden und Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, werden zusätzlich Betten und Personal gebunden», sagte eine Sprecherin. Auch die Zahl der an Covid-19 erkrankten Mitarbeiter sei sehr hoch, so dass es zu Einschränkungen bei planbaren Operationen und in Einzelfällen zu Stationsschließungen komme. Zudem sei die Situation in den Notaufnahmen in München «insgesamt sehr angespannt».
Die München Klinik sieht das Gesundheitssystem «unter Druck». Auch hier werden der Aufwand für die Isolation Erkrankter und eine steigende Zahl von Mitarbeitern, die selbst infiziert seien oder ihre infizierten Kinder betreuen müssten, genannt. «Die Intensiv- und Notfallversorgung ist noch weitgehend sichergestellt, aber das geht stark auf Kosten der Mitarbeitenden», sagte ein Sprecher. «Wir können – anders als Fluglinien – nicht Patienten vor der Tür anstehen lassen.»
Der Anstieg ist nicht auf München begrenzt: Auch die Helios Kliniken Oberbayern berichten von steigenden Corona-Zahlen – vor allem auf ihren Normalstationen – und von mehr infizierten Mitarbeitern.
Bayernweit melden laut dem bundesweiten Intensivregister derzeit 78 Intensivstationen eingeschränkten Betrieb, weitere 46 teilweise eingeschränkten Betrieb. Regulären Betrieb melden 51. Das ist eine deutliche Verschlechterung: Mitte September hatte es noch deutlich mehr regulären als eingeschränkten Betrieb gegeben.
All das wirkt sich auch auf die Situation bei Rettungsdienst und Notaufnahmen aus. Gerade in Oberbayern seien die Kliniken sehr ausgelastet und man müsse teilweise bis zu eineinhalb Stunden fahren, um Patienten unterzubringen, sagte ein Sprecher des Bayerischen Roten Kreuzes. «Seit etwa eineinhalb bis zwei Wochen verschärft sich die Lage wieder.» Das sei für die Patienten und Mitarbeiter sehr belastend und gefährde in letzter Konsequenz Leben.
Die höchste Inzidenz in Bayern weisen derzeit die Landkreise Fürstenfeldbruck mit 1333,6, Ebersberg mit 1265,2 und Dachau mit 1206,8 auf. Auffällig dabei ist auch eine gewisse Ballung um München herum, wo Anfang der Woche das Oktoberfest endete. Sowohl die Stadt als auch drei der vier direkt angrenzenden Landkreise liegen über 1000, der Landkreis München nur relativ knapp darunter. In der zweiten Oktoberfestwoche waren die Zahlen im München sehr stark angestiegen. Schon vor dem Fest hatten Experten eine Wiesn-Welle vorhergesagt.
dpa / MB