Sa, 06.03.2021 , 09:06 Uhr

Cham: Frey schreibt Brandbrief an Regierung

Die Unternehmensgruppe Frey aus Cham hat zusammen mit dem Modehaus Garhammer und dem Glasparadies Joska Bodenmais einen Brandbrief an die Bayerische Staatsregierung geschrieben. Grund sind die Bekanntmachungen vom 4. März. Die Unternehmer befürchten über Monate keine weitere Öffnungsperspektiven. Sie fordern unter anderem: „Lassen Sie unsere Region nicht sterben“

Hier der Brandbrief im Wortlaut

„Sehr geehrte Damen und Herren der Bayerischen Staatsregierung,
Ihre gestrigen Beschlüsse zum weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie in Bayern haben uns
bis ins Mark erschüttert. Stand heute bedeutet Ihre Entscheidung, alle bayerischen Landkreise mit
7-Tages-Inzidenzen über 100 im totalen Lockdown zu belassen, dass rund zwei Millionen Menschen
weiterhin keine Aussicht auf Lockerungen haben. Alle Experten gehen davon aus, dass die Inzidenzen in den nächsten Wochen ansteigen werden. Es ist daher davon auszugehen, dass insbesondere
unsere Grenzlandkreise in den nächsten Wochen, möglicherweise sogar Monaten, keinerlei weitere
Öffnungsschritte zu erwarten haben. Das heißt, unsere Schulen und Kindergärten bleiben zu, die Geschäfte geschlossen, gemeinsamer Sport bleibt verboten und kulturelle Einrichtungen sind weiterhin
zwangsgeschlossen.
Die daraus entstehenden physischen und psychischen Belastungen für unsere Bevölkerung sind nicht
mehr tragbar. Der tägliche bange Blick auf die Inzidenzzahlen zermürbt die Familien und jeden
Einzelnen, unsere vielen Unternehmen mit ihren Mitarbeitern stehen Millimeter vor dem endgültigen
Abgrund. Die Verzweiflung in unserer Region wird jeden Tag größer, der Unmut über die politischen
Entscheidungen ist riesig.
Die Staatsregierung selbst hat festgestellt, dass der Eintrag aus Tschechien und Österreich der Hauptgrund für die hohen Inzidenzen in unseren Landkreisen ist. Die Menschen in unserer Region sind ganz
sicher nicht unvorsichtiger oder gehen leichtfertiger mit der Pandemie um. Zudem ist festzustellen, dass
in der Grenzregion deutlich mehr getestet wird als in vielen Ballungszentren (z.B. München, Regensburg). Diesen Faktor, aus dem sich automatisch höhere Inzidenzzahlen für unsere Landkreise ergeben,
ignoriert die Staatsregierung völlig.
Die vielen fleißigen Menschen unserer Heimat haben es in den letzten 25 Jahren geschafft, dass sich
aus einer einst strukturschwachen, etwas abgehängten und oft belächelten Region ein starker, selbstbewusster und zukunftsfähiger Landstrich entwickelt hat. Durch den jetzt eingeschlagenen Weg der
Staatsregierung sehen wir die Zukunft der gesamten Region akut bedroht. Wir fordern daher Chancengleichheit für Alle.
Allein unsere drei Unternehmen beschäftigen 1.250 Mitarbeiter, über 90% davon sind Frauen. Wir
unterstützen im Jahr über mehrere Hundert Vereine, soziale, karitative und kulturelle Einrichtungen. Wir
sind täglich in Kontakt mit unseren Mitarbeiter*innen, die den Lockdown in der Familie, in der Schule,
am Arbeitsplatz erleben. Viele dieser Frauen sind durch die Mehrfachbelastung am Ende ihrer Kräfte,
sind verzweifelt, fürchten um ihren Job. Ministerpräsident Söder sagte gestern, er verstehe die Enttäuschung der Menschen – es geht nicht mehr um Enttäuschung, es geht um die Existenz vieler Menschen,
wirtschaftlich aber im gleichen Maß auch psychisch.

Sehr geehrte Damen und Herren der Staatsregierung, die Menschen dafür zu bestrafen, dass sie in
Grenznähe wohnen, ist nicht akzeptabel. Hören Sie auf, mit zweierlei Maß zu messen. Viele Betriebe
unserer Region waren seit Beginn der Pandemie keinen einzigen Tag geschlossen – zum Glück. Aber
unsere Unternehmen im Handel waren vier der letzten 12 Monate komplett zwangsgeschlossen, in
vielen anderen Bereichen wie der Gastronomie und Hotellerie sieht es noch schlimmer aus.
Wir alle, die betroffenen Unternehmen, Tausende Mitarbeiter, Tausende unserer Kunden und die gesamte Bevölkerung der Region haben trotzdem den Kurs der Staatsregierung solidarisch mitgetragen
und so unseren gesamtgesellschaftlichen Beitrag zur Überwindung der Pandemie geleistet.
Aber jetzt können wir nicht mehr. Sie lassen uns im Stich, Sie sind dabei, die Menschen unserer Region
zu verlieren. Wir rufen Sie deshalb eindringlich dazu auf, der Bevölkerung in Landkreisen mit einer
Inzidenz über 100 eine Hoffnung zu geben. Gestern waren 13% der bayerischen Bevölkerung betroffen, heute sind es schon über 15% und in den nächsten Tagen wird der Anteil der Landkreise, die
wieder komplett dicht gemacht werden, weiter steigen.
Geben Sie uns eine Perspektive, für unsere Kinder, für unsere Unternehmen, für die gesamte Bevölkerung. Erlauben Sie den Menschen und Unternehmen, Ihre Arbeit zu machen und Kindern, Kita und
Schule zu besuchen. Natürlich mit den richtigen Schutzmaßnahmen und einem ausgefeilten Hygienekonzept. Lassen Sie unsere Region nicht sterben!!“

 

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