«Jetzt muss halt der Bund seine Hausaufgaben machen», sagte Markus Söder am Dienstagmorgen dem Bayerischen Rundfunk. Dazu gehöre es etwa, den Apotheken die Möglichkeit zum Impfen zu geben und für genügend Impfstoff zu sorgen. «Und die rechtliche Basis für eine allgemeine Impfpflicht zu legen.» Es brauche einheitliche Maßnahmen in Deutschland und keinen Flickenteppich. Auch die Interessenvertreter der Apotheken drängen darauf, das Impfen in den Apotheken zu ermöglichen.
An diesem Dienstag um 13.00 Uhr wollen die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder telefonisch über die Krise beraten. Konkrete Vorgaben über ihren Handlungsspielraum erhofft sich die Politik von den ersten grundsätzlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Freiheitsbeschränkungen in der Corona-Pandemie, die am Vormittag in Karlsruhe veröffentlicht werden.
Söder sagte in der «Radiowelt» auf Bayern 2, er erwarte sich Klarheit von den Gesprächen. Es sei aber alles ein wenig schwierig, weil es diesmal keine Vorgespräche gegeben habe. «Ein etwas seltsames Verfahren – wir hätten ja eigentlich mal besprechen müssen, um was es geht.»
In der Bund-Länder-Runde wird es wohl auch um eine neue Bundesnotbremse gehen. Das Bundesverfassungsgericht habe alle zentralen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung für rechtens erklärt. Somit ist rein rechtlich eine solche Bundesnotbremse erneut möglich.
Der Bayerische Apothekerverband zeigte sich grundsätzlich offen für Impfungen gegen das Coronavirus. «Apotheker kennen sich mit Impfstoff aus», sagte Verbandssprecher Thomas Metz. Modellprojekte mit Grippeimpfungen zeigten, dass sie Impfstoff spritzen könnten. Allerdings sei es auch eine Frage der Kapazitäten und Ressourcen. «Auch Apotheken sind absolut am Limit, um alle hinzugekommenen Aufgaben zu erledigen», so Metz. Dazu zählten zum Beispiel die Impfstofflieferungen an Praxen, Schnelltests oder Impfzertifikate.
«Mit den bestehenden Strukturen werden wir es nicht schaffen, bis Weihnachten 50 Millionen Menschen zu impfen», warnte der Präsident des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen, Stefan Hartmann aus Gilching in Oberbayern, im «Münchner Merkur» (Dienstag). «Wir Apotheker wollen unseren Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten.»
Zur Beschleunigung der Corona-Impfungen in Deutschland sollen aus Sicht der Gesundheitsminister der Länder künftig auch Apotheken und Zahnärzte mit einbezogen werden. Der Bund sei gebeten, die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, hatte der Vorsitzende der Ressortchefs, Klaus Holetschek (CSU) aus Bayern, am Montag in München nach einer Schaltkonferenz gesagt.
Gegen Impfungen in der Apotheke stellte sich allerdings die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). «Acht Millionen Impfungen insgesamt und über 150.000 an einem Wochenende beweisen eindrucksvoll das anhaltend große Engagement der bayerischen Praxen im Kampf gegen die Corona-Pandemie», hieß es in einer Mitteilung der KVB. «Es könnten noch weit mehr sein, wenn die Impfstoffverteilung durch das zuständige Bundgesundheitsministerium endlich in geordneten Bahnen verlaufen würde – also ohne Kontingentierung und kurzfristige Umstellungen bei Impfstoffen. Die Diskussion darüber, ob man auch in Apotheken impfen sollte, ist hingegen überflüssig.» Wenn die Praxen und Impfzentren ausreichend Impfstoff erhalten, seien sie in der Lage, die Impfkampagne weiter voranzubringen.
Auch Söder beklagte im Radio-Interview erneut das Liefermanagement des Bundes. Der Bund habe bisher die Verteilung der Impfstoffe mangelhaft organisiert. Man habe vor einigen Wochen noch Impfstoff international abgegeben, wo man ihn doch dringend gebraucht hätte. «In der Tat ist es so, wir brauchen jetzt für das Boostern mehr Impfstoff.»
Zum Thema vorgezogene Weihnachtsferien sagte Söder, er sei offen für Gespräche mit allen darüber. Derzeit gebe es keinen Anlass, die Schulen in Bayern zu schließen.
Angesichts der dramatischen Infektionslage in Deutschland forderte Söder zudem Geisterspiele in allen deutschen Fußballstadien. «Es macht auf absehbare Zeit keinen Sinn wieder Zuschauer zuzulassen. Es ist eine wichtige Forderung, dass wir heute bundeseinheitlich beschließen, dass wir künftig keine Zuschauer mehr machen. Wenn das auf Bundesebene nicht funktioniert, würden wir das für Bayern allein machen.»
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche ist in Bayern indes weiter rückläufig. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz am Dienstagmorgen mit 618,2 (Stand: 3.15 Uhr) an – am Dienstag vergangener Woche lag die Inzidenz bei 644,9. Söder sieht diese Entwicklung auch als Folge der verschärften Regeln im Freistaat. Insgesamt meldete das RKI am Dienstag für den Freistaat 6789 Neuinfektionen und 99 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus.
Die höchste Inzidenz unter den Regionen wies demnach der Landkreis Rosenheim mit 1267,4 aus. Dahinter folgen die Landkreise Freyung-Grafenau, Rottal-Inn, Passau, Traunstein, Mühldorf am Inn, Berchtesgadener Land und die Stadt Rosenheim. Alle lagen über der 1000er-Marke.
dpa/MB