Di, 23.04.2024 , 16:17 Uhr

Berching: Tarifstreit eskaliert - Unbefristeter Streik bei Industriebetrieb

Die Mitarbeiter der Firma Schabmüller in Berching sind heute Morgen in einen unbefristeten Streik getreten, um einen Tarifvertrag zu erzwingen.

Im Kampf um einen Tarifvertrag sind die Mitarbeiter der Firma Schabmüller im oberpfälzischen Berching in den unbefristeten Streik getreten. Dem seien vier gescheiterte Verhandlungsrunden und zuletzt ein 24-stündiger Warnstreik vorausgegangen, sagte ein Sprecher der IG Metall am Dienstag. Am Morgen hatte die Belegschaft die Arbeit niedergelegt.

«Obwohl das Geschäft brummt und Schabmüller seit Jahren hohe Gewinne einfährt, verweigert die Firma ihren Beschäftigten einen Tarifvertrag»,

sagte IG Metall-Bezirksleiter Horst Ott. Vor rund 20 Jahren sei Schabmüller aus dem Arbeitgeberverband vbm und damit aus dem Flächentarifvertrag ausgetreten. Der Entgeltabstand betrage mittlerweile 22 Prozent. Die Gewerkschaft fordert eine stufenweise Rückkehr in den Tarifvertrag. 

Die IG Metall habe dem Unternehmen drei weitere Verhandlungstermine vorgeschlagen, um eine Eskalation abzuwenden. Diese habe die Arbeitgeberseite verstreichen lassen. Bei einer Urabstimmung hatten 97,62 Prozent der IG Metall-Mitglieder bei Schabmüller für den Streik gestimmt. 

Die Firma gehört zur italienischen ZAPI-Group mit Sitz nahe Bologna. Schabmüller produziert elektrische Antriebslösungen für Elektromotoren und Generatoren und hat rund 500 Beschäftigte.

Der unbefristete Streik ist das schärfste Mittel des Streikrechts, zu dem die IG Metall nach eigenen Angaben sehr selten greift. Zuletzt war das in Bayern im Jahr 2020 in Sonthofen der Fall.

dpa

Die Pressemitteilung der IG Metall Regensburg

Der unbefristete Erzwingungsstreik bei Schabmüller in Berching ist aus Sicht der IG Metall hocherfolgreich gestartet.

„So überwältigend die Zustimmung zum Streik ausgefallen ist – 97,62% unserer Mitglieder haben sich letzte Woche dafür entschieden, so machtvoll hat der Streik begonnen“,

fasst Olga Redda, 2. Bevollmächtigte der IG Metall Regensburg und Verhandlungsführerin den Auftakt zusammen. Redda war schon vor Streikbeginn um 4 Uhr morgens vor Ort, um den Aufbau zu koordinieren und die Streikleitung zu besetzen.

„Bisher hatten wir keine Konflikte mit dem Arbeitgeber, die den Streik betreffen. Es läuft alles reibungslos“,

so Redda.

450 Kolleginnen und Kollegen haben sich zur Kundgebung um 14 Uhr vorm Tor versammelt, um gemeinsam deutlich zu machen, wofür sie streiken.

„Die Stimmung ist kämpferisch, die Beschäftigten stehen felsenfest hinter ihrer Forderung und sind wild entschlossen, sie um jeden Preis durchzusetzen“,

schildert Rico Irmischer, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Regensburg die Atmosphäre auf der Kundgebung.

„20 Jahre lang verweigert der Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden jetzt Ihren Tarifvertrag. Damit ist jetzt Schluss. Sie erkämpfe sich jetzt ihren Tarifvertrag, ihr gutes Recht für ihre gute Arbeit“.

Der Bezirksleiter der IG Metall Bayern, Horst Ott, sagte auf der Kundgebung zu den Streikenden:

„Wir wollen nicht streiken, aber wir haben auch keine Lust zu betteln. Die gesamte IG Metall steht hinter Euch“.

Im kompletten Tagesverlauf blieben die Streikposten besetzt, Streikbrecher waren nicht zu sehen. Bis auf die Geschäftsleitung und einige mit der IG Metall vereinbarte Notdienst-Leistende sind keine Mitarbeiter:innen in den Betrieb gegangen. Anfahrende LKWs wurden nicht be- oder entladen, sondern mussten unverrichteter Dinge weiterfahren.

„Hier hat sich in den letzten Jahren viel Frust aufgestaut“,

ordnet Christine Billmann, stellv. VK-Leiterin von Schabmüller die starke Beteiligung ein.

„Die Beschäftigten halten seit jeher zusammen wie eine Familie. Jeder steht für den anderen ein, man investiert viel Herzblut. Doch gerade in den letzten Jahren, als die Differenz zum Flächentarifvertrag immer größer wurde, ist diese Stimmung im Betrieb immer öfter gekippt. Die Menschen hier wollen endlich einen Tarifvertrag, endlich gerechte Bedingungen – und endlich wieder als Familie zusammenstehen“.

 

Mit dem unbefristeten Erzwingungsstreik nutzt die IG Metall das schärfste Mittel des Streikrechts, nur selten greift sie darauf zurück. Er ist die letzte Eskalationsstufe in einer Reihe von Maßnahmen, die den festgefahrenen Tarifkonflikt lösen sollten.
Wie lange der Streik andauern wird, ist unklar, die IG Metall verweist wiederholt auf ihre Verhandlungsbereitschaft.

„Wir wollen diesen Streik nicht, er wird uns vom Arbeitgeber aufgezwungen. Denn die Verzögerungs- und Hinhaltetaktik der Geschäftsleitung verhindert leider eine schnelle Lösung am Verhandlungstisch. Wir fordern die Arbeitgeberseite erneut auf, uns Termine noch im April zu nennen“,

sagt Irmischer.

 

Hintergrund

Die Schabmüller GmbH, Teil der italienischen ZAPI-Group mit Sitz in der Nähe von Bologna, bietet ein komplettes Spektrum an elektrischen Antriebslösungen für verschiedene Anwendungsgebiete wie Elektromotoren oder Generatoren. In Berching sind rund 500 Kolleg:innen beschäftigt, viele mit langen Betriebszugehörigkeiten.

Schabmüller unterliegt keiner Tarifbindung, seit sie vor ca. 20 Jahren aus dem bayerischen Metallarbeitgeberverband vbm ausgetreten sind und damit die Tarifbindung aufgegeben haben. Seitdem orientiert sich der Betrieb an den Tarifabschlüssen, die in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vereinbart werden, geben diese aber nur zu 80% weiter. Daher beläuft sich die Differenz zwischen den Entgelten bei Schabmüller und der Metall- und Elektroindustrie mittlerweile auf 22%.

Wirtschaftlich geht es der Schabmüller GmbH hervorragend, sie verzeichnen seit Jahren hohe Gewinne und erweitern ihren Marktanteil stetig. Forderungen nach einer Rückkehr in den Flächentarifvertrag ist der Arbeitgeber bisher ausgewichen.

Die Tarifverhandlung für die Beschäftigten in Berching sind festgefahren. Seit der vierten Verhandlung zwischen Arbeitgeber und IG Metall am 14. März 2024 ist Stillstand eingetreten. Die IG Metall reagierte auf die Blockadehaltung mit einer Verschärfung ihrer Warnstreiks. Die Beschäftigten waren am 11. April 2024 zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen, an dem sich nahezu 100% der Belegschaft und fast alle Betriebsteile beteiligt haben. Damit legte die IG Metall den Betrieb einen kompletten Tag lahm.

Nachdem der Arbeitgeber sein letztes Angebot nicht nachgebessert hat, hat der IG Metall-Vorstand in Frankfurt am 16. April dem Antrag auf Urabstimmung und unbefristeten Erzwingungsstreik zugestimmt. Nach der erfolgreichen Urabstimmung, in der sich 97.62% der Mitglieder für den unbefristeten Erzwingungsstreik ausgesprochen haben, wird der Betrieb seit dem 23. April 2024 um 5 Uhr dauerhaft bestreikt.

 

Das könnte Dich auch interessieren

07.09.2024 Niederbayern/Türkei: Festnahme der letzten beiden Flüchtigen aus dem BKH Straubing STRAUBING, EDIRNE/TÜRKEI. Nach der Flucht von vier Insassen aus dem BKH Lerchenhaid am 17.08.2024 konnten nun auch die letzten beiden Flüchtigen in der Türkei festgenommen werden. Am 30.08.2024 fiel ein Mann in einem Migrationszentrum in der Stadt Edirne in der Türkei (bulgarisch-griechisch-türkisches Dreiländereck) auf, da er sich illegal in der Grenzregion befand. Bei einer genaueren 06.09.2024 Oberpfalz: Aktionstage zur Überwachung der Gurtanlege- und Kindersicherungspflicht Vom 10. September bis zum 13. September finden bayernweite Aktionstage zur Überwachung der Gurtanlege- und Kindersicherungspflicht statt. 06.09.2024 Bodenwöhr/Neukirchen-Balbini: 6000 Quadratmeter Wald in Flammen Am Donnerstagabend entdeckten Luftbeobachter einen Waldbrand bei Neukirchen-Balbini. Das Feuer breitete sich auf rund 6.000 Quadratmetern aus. 05.09.2024 Niederbayern: Vermehrt Schockanrufe - Vorsicht vor Telefonbetrügern Aktuell gibt es in Niederbayern vermehrt betrügerische Anrufe. Die Polizei warnt davor.