Bayern will die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen nach Angaben von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bis auf Weiteres nicht umsetzen.
Es werde «großzügigste Übergangsregelungen» geben, was «de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft», sagte der CSU-Vorsitzende am Montag nach einer Videoschalte des CSU-Vorstands in München. «Für wie viele Monate wird man dann sehen», fügte er hinzu – jedenfalls zunächst für einige Zeit, «um das Ganze vernünftig zu gestalten.»
Grundsätzlich plädierte Söder erneut für eine allgemeine Corona-Impfpflicht – er hoffe sehr, dass es hier eine «kluge Entscheidung» gebe. Die Impfpflicht nur für Beschäftigte im medizinisch-pflegerischen Bereich sieht er mittlerweile dagegen kritisch: «Die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die zum 15.3. kommen soll, ist kein wirksames Mittel mehr, um die jetzige Omikron-Welle zu begleiten oder zu dämpfen oder zu stoppen.»
Die Abwanderung von Pflegekräften könnte zu einer zusätzlichen Belastung und zu einer Verschlechterung der Situation in der Pflege führen, warnte Söder. «Es führt nur zu Problemen, ist leider keine Lösung.» Es gebe «größte Sorge, dass dies eigentlich zu einer Überlastung und Schwächung des Gesundheitssystems führen könnte, weil es Ausweichbewegungen geben könnte», sagte er.
Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht, die eigentlich ab dem 15. März greifen soll, wurde im Infektionsschutzgesetz verankert. Konkret heißt es dort, dass die Beschäftigten bis zum 15. März ihrem Arbeitgeber einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen müssen oder ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können. Wird der Nachweis nicht vorgelegt, muss das Gesundheitsamt informiert werden.
Das «kann», wenn trotz anschließender Aufforderung innerhalb einer Frist kein Nachweis vorgelegt wird, ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot für die Klinik oder Pflegeeinrichtung aussprechen.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte bereits eine Verschiebung der Impfpflicht für Pflegekräfte gefordert. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte das allerdings zuletzt strikt abgelehnt.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat Bayerns Alleingang bei der Aussetzung der Impfpflicht für Klinikpersonal kritisiert. Für die Krankenhäuser ändere sich trotz der Aussagen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nichts, sagte der Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß der «Augsburger Allgemeinen» (Dienstag). Die Ankündigung befreie die Kliniken nicht davon, sich an das Gesetz zu halten. «Wir sind verpflichtet, bis zum 15. März die nicht geimpften Mitarbeiter den Gesundheitsämtern zu melden. Darauf sind wir vorbereitet und dies werden wir auch durchführen.»
Der Vollzug des Gesetzes müsse über die Bundesländergrenzen hinweg einheitlich erfolgen, forderte Gaß. «Wenn manche Bundesländer nun für sich erkennen, mehr Zeit und weitere Abstimmungen für den Vollzug zu benötigen, nehmen wir das zur Kenntnis.» Er erwarte bei der nächsten Bund-Länder-Konferenz aber eine einheitliche Umsetzung.
In der Pressekonferenz nach der CSU-Sitzung am Montag hat Söder weitere Lockerungen für den Freistaat angekündigt. Unter anderem soll der Friseurbesuch wieder mit 3G anstatt 2G möglich sein. Außerdem soll die Sperrstunde in der Gastronomie aufgehoben werden.
Eine Übersicht der Lockerungen finden Sie hier.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat die Entscheidung des Bundeslandes, die gesetzliche Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen vorerst nicht umzusetzen, bekräftigt. Bayern setze auf eine «Umsetzung mit Augenmaß, bei der auch die berechtigten und wichtigen Belange der betroffenen Einrichtungen sowie der ohnehin am Limit agierenden Gesundheitsämter berücksichtigt werden», teilte der CSU-Politiker am Montagabend als Reaktion auf die Kritik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit.
Lauterbach hatte gesagt: «Laxe Vollzugsregeln der einrichtungsbezogenen Impfpflicht können nicht nur das Leben der älteren Menschen mit schwachem Immunsystem gefährden. Dazu gefährden sie auch die Glaubwürdigkeit von Politik.» Es gehe um den Schutz von Patienten und Heimbewohnern. «Auch die bayerische Landesregierung sollte das beschlossene Gesetz ernst nehmen», mahnte der Bundesgesundheitsminister.
Holetschek sagte dazu: «Mit angemessenen Umsetzungsfristen sorgen wir dafür, dass die Versorgungssicherheit in Krankenhäusern, Pflegeheimen und weiteren von der Impfpflicht erfassten Einrichtungen stets gewährleistet bleibt.» Der Kurs Bayerns gefährde nicht die Glaubwürdigkeit von Politik, sondern stärke sie. «Denn wir zeigen damit, dass wir rasch auf aktuelle Entwicklungen reagieren können. Dagegen hat es die Bundesregierung bis heute nicht geschafft, die erforderlichen einheitlichen Regeln für die Umsetzung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht vorzulegen.»
Das bereits im Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz legt fest, dass Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen – oder ein Attest, nicht geimpft werden zu können. Arbeitgeber müssen die Gesundheitsämter informieren, wenn das nicht geschieht. Diese können die Beschäftigung in der Einrichtung untersagen.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte gesagt, es werde «großzügigste Übergangsregelungen» bei dieser Impfpflicht geben, was «de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft». Für wie viele Monate dies gelten solle, werde man dann sehen. Lauterbach hatte bereits deutlich gemacht, dass das Gesetz gilt und dass er eine Verschiebung ablehnt. Der Bund könne den Ländern aber bei einem einheitlichen Vorgehen helfen, wie mit konkreten Umsetzungsproblemen umzugehen sei.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat den Vorstoß aus Bayern für eine vorübergehende Aussetzung der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht kritisiert. «Das halte ich für sehr problematisch», sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Berlin. Die Impfpflicht sei keine Schikane gegen das Personal in den Einrichtungen, es gehe um den Schutz der den Mitarbeitern anvertrauten Menschen. Lauterbach sprach von einem «vollkommen falschen Signal». «Es gibt das Signal, als wenn uns der Protest gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht wichtiger wäre, (…) als uns der Schutz dieser Menschen bedeutsam ist.»
Lauterbach erklärte, dass der Vollzug des Gesetzes Ländersache sei. Der Bund könne Hilfestellung anbieten, etwa mit Musterbenachrichtigungen für Gesundheitsämter, mit denen sie die betroffenen Beschäftigten anschreiben könnten. «Wir können mit allem helfen. Aber ganz konkrete Anfragen habe ich weder aus Bayern noch von der CDU gesehen. Es ist offensichtlich so, dass man sich hier von dem Gesetz verabschieden will, und das ist falsch.»
Der SPD-Politiker nannte es für die Politik insgesamt problematisch, wenn Gesetze von Ministerpräsidenten nicht umgesetzt würden. Das sei eine Botschaft, die schwer zu vermitteln sei. Er hoffe, dass man zu einer Lösung komme.
dpa/MB