Die Fülle der Klagen gegen die Corona-Maßnahmen wird Bayerns höchste Gerichte auch im neuen Jahr intensiv beschäftigen. Die Verfahren im Zuge der Pandemie verlangten der Justiz viele Entscheidungen ab, sagte der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Hans-Joachim Heßler, in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur in München. «Das sprengt alles, was wir bisher hatten.»
In Bayern können Bürger jede landesrechtliche Rechtsvorschrift mit einer sogenannten Popularklage vor dem Verfassungsgericht anfechten, dem obersten Gericht für staatsrechtliche Fragen. «Davon ist viel Gebrauch gemacht worden», sagte Heßler.
Vor Corona habe es etwa 20 Popularklagen pro Jahr gegeben. Im Jahr 2020 seien hingegen 121 neue Popularklagen eingegangen, davon allein 106 «Corona-Verfahren». Auch in 2021 seien es schon mehr als 70 Popularklagen – ebenso ganz überwiegend zur Pandemie, sagte Heßler.
Aus allen vergangenen Jahren waren zuletzt noch 155 Popularklagen offen – davon 125 zu Corona. Dabei überschneiden sich den Angaben nach inhaltlich viele – und zahlreiche Fälle betreffen überwiegend inzwischen außer Kraft getretene Verordnungen.
Eine erste Entscheidung kann selbst bei Eilanträgen in dringenden Fällen bis zu zwei Wochen dauern. Auch solche Entscheidungen müssten sorgfältig vorbereitet werden, sagte Heßler. Unter anderem müssten Landtag und Staatsregierung in der Regel Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen. Es brauche zudem eine eingehende Beratung mit neun Berufsrichtern aus ganz Bayern. «Da sind 10 bis 14 Tage durchaus sportlich», sagte der Präsident.
Zu Corona-Verfahren hat das Verfassungsgericht in der Pandemie bisher etwa zwei Dutzend solcher Eil-Entscheidungen getroffen. Der Weg vor das Verfassungsgericht steht allen Bürgern frei – auch ohne Rechtsanwalt. «Anders als bei vielen Fachgerichten gibt es beim Verfassungsgerichtshof keinen Anwaltszwang», betonte Heßler.
Heßler steht seit rund drei Monaten an der Spitze des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Der 63-Jährige ist zudem seither in Doppelfunktion Präsident des Oberlandesgerichts München.
dpa/MB