Unter den Kindern in Bayern grassiert das RS-Virus – so sehr, dass die Kinderkrankenhäuser bereits kaum noch freie Betten haben. «Alle Kliniken sind am Anschlag», berichtete der Landesvorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Dominik Ewald, der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich beruhigte er: «Es hat noch keiner den absoluten Notstand ausgerufen. Die Versorgung ist nicht gefährdet, weil wir das doch immer noch irgendwie hinkriegen.»
Für die Kinderärzte kommt die aktuelle Situation nicht überraschend. «Wir hatten erwartet, dass diese RS-Virus-Welle kommt. Es ist relativ klar, dass jetzt, wo die Kinder wieder miteinander zu tun haben dürfen und wir drei Jahrgänge haben, die in den Kindergärten aufeinandertreffen und durch den Lockdown keinen Austausch der Infektionen hatten, dreimal so viele Kinder wie sonst krank werden», erklärte Ewald. «Die machen jetzt alle auf einmal das durch, was normalerweise nur ein Jahrgang durchmachen würde.»
Schon seit Pfingsten grassieren unter den Kids Infektionen, das RS-Virus schlägt besonders seit dem Ende der Sommerferien zu. «Jetzt kommen auch noch die verschiedenen Erkältungsviren, dazu gehören neben RSV zum Beispiel Influenza- oder Rhinoviren, schilderte Ewald.
An sich sei dies kein Grund zur Sorge, betonte der Pädiater. «Gesunde Kinder können so einen Infekt durchaus durchstehen.» Problematisch sei derzeit nur, dass sich viele Kinder einen Infekt nach dem anderen einfingen und dann zu geschwächt seien, um dem RS-Virus noch viel entgegensetzen zu können.
Das RS-Virus – kurz für das Respiratorische Synzytial-Virus – kann durchaus auch Erwachsenen schwer zu schaffen machen, ist aber besonders für Frühgeborene, Säuglinge und Kleinkinder gefährlich. Sie können ausgesprochen schwere Lungenentzündungen bekommen. Laut Robert Koch-Institut sterben 0,2 Prozent der erkrankten Kinder ohne bekanntes erhöhtes Risiko, gut 1 Prozent der erkrankten Frühgeborenen und mehr als 5 Prozent der betroffenen Kinder mit angeborenem Herzfehler.
Da gegen das Virus kein Antibiotikum hilft, können die Ärzte nur die Symptome behandeln. Weniger schwer verlaufende Infektionen werden meist gar nicht als solche erkannt, weswegen das seit langem kursierende Virus vielen Laien nicht mit Namen bekannt ist. Dabei kann der vermeintlich harmlose Husten durchaus Folgen haben: «Fatal ist, dass die Infektion bestimmte Veränderungen in der Lunge bewirken kann, die auch langfristig zu Folgeproblemen führen kann», erläuterte Ewald. Die Erkrankten litten später häufiger unter Asthma oder einer Überempfindlichkeit der Bronchien.
Die Übertragung erfolgt in erster Linie durch Tröpfcheninfektion von einer infektiösen Person auf eine Kontaktperson. Außerdem wird auch angenommen, dass das Virus über kontaminierte Hände, Gegenstände und Oberflächen übertragen wird. Das RS-Virus kann laut dem Robert-Koch-Institut 20 Minuten auf Händen überleben, 45 Minuten auf Papierhandtüchern und Baumwollkitteln und bis zu mehreren Stunden auf Einmalhandschuhen, auf Stethoskopen und auf Kunststoffoberflächen.
Die Erkrankung kann auf die oberen Atemwege beschränkt sein (Schnupfen und Husten), sich aber auch, insbesondere bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten, als Bronchiolitis, Pneumonie oder Tracheobronchitis äußern. Ein keuchhustenähnliches Krankheitsbild kommt laut dem RKI bei etwa 5 % der Fälle mit Beteiligung der unteren Atemwege vor. Auch Fieber ist häufig vorhanden.
Die Geschäftsführerin der St. Hedwig Kinderklinik, Sabine Beiser, bestätigte auf TVA-Anfrage die angespannte Lage:
„Die RS-Virus-Welle ist auch in der Klinik St. Hedwig stark spürbar. Im Vergleich zum letzten Jahr hat diese wesentlich früher begonnen und ist stärker ausgeprägt. Es müssen derzeit mehr Patienten als üblich behandelt werden, so dass die Hedwigsklinik deutlich über 100% ausgelastet ist. Dadurch entstehen leider auch bei uns längere Wartezeiten.“
Weitere Informationen zum RS-Virus finden Sie beim RKI.
dpa/RKI/MB/JM