Bayern will als erstes Bundesland Corona-Tests für jedermann einführen - unabhängig davon, ob er Symptome hat oder einem besonderen Risiko ausgesetzt ist. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) kündigte am Sonntag eine "Corona-Testoffensive" an. Die Kosten dafür will der Freistaat übernehmen, wenn diese nicht von der Krankenkassen übernommen werden.
«Allen Bürgerinnen und Bürgern Bayerns wird deshalb zeitnah angeboten, sich bei einem niedergelassenen Vertragsarzt auch ohne Symptome testen zu lassen.» - Melanie Huml, Gesundheitsministerin
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat die Strategie des Freistaats zur Abwehr des Coronavirus mit Tests für jedermann verteidigt. Es gebe im Kampf gegen das Virus keine Alternative, als zum einen zu testen und zum anderen Abstand zu halten, sagte Söder am Montag im ZDF-«Morgenmagazin». «Testen ist die Grundvoraussetzung für alles: um zu wissen, wer ist infiziert, um Infektionsketten zu ermitteln, diese dann auch letztlich zu verfolgen und brechen zu können.»
Bayern biete auch eine 24-Stunden-Garantie für alle, die Symptome zeigten, damit diese nicht lange auf ihr Testergebnis warten müssten, sagte der CSU-Chef. Darüber hinaus werde denen ein Angebot gemacht, die für sich einfach Sicherheit haben wollten. «Das wird nicht so sein, dass alle es sofort annehmen. Aber das ist ein Angebot für die Menschen, und ich glaube ein sehr, sehr gutes.» Sicherheit sei zudem «der wichtigste Konjunkturimpuls» zur Wiederbelebung der Wirtschaft, fügte Söder mit Blick auf die Abstimmung von Bundestag und Bundesrat über das Konjunkturpaket der Bundesregierung an diesem Montag hinzu.
Die bayerische Strategie steht nach Söders Darstellung auch nicht im Widerspruch zum Anspruch, fokussiert dort zu testen, wo Menschen besonders gefährdet sind. Es gebe Serientests in Alten- und Behindertenheimen, in Krankenhäusern und nach den Ferien auch in Schulen für Lehrer und Erzieher, erklärte er.
Bayern ist aber das erste Bundesland, das Tests für alle vorsieht. «Ein Eckpunkt unseres Bayerischen Testkonzepts ist, dass alle Personen, die auf eine Infektion auf SARS-CoV-2 getestet werden wollen, Gewissheit darüber erhalten sollen, ob sie sich infiziert haben», betonte Huml. Es sei «ein ergänzendes Angebot, das vollständig aus staatlichen Mitteln getragen wird», sagte ein Sprecher auf dpa-Anfrage. Den Ärzten steht es demnach aber frei, die Leistung anzubieten.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) reagierte zurückhaltend. «Umfangreiches Testen ist sinnvoll, insbesondere um regionale Ausbrüche schnell einzudämmen. Dazu haben wir das Testkonzept des Bundes bereits vor Wochen angepasst», sagte er am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zusätzliche Testangebote durch die Länder könnten das ergänzen. «Allerdings ist ein Test immer nur eine Momentaufnahme. Er darf nicht in falscher Sicherheit wiegen.»
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert eine zielgenaue Strategie. Grundsätzlich sei das Vorgehen Bayerns richtig. «Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass die richtigen Leute getestet und die Tests selbst billiger werden», sagte Lauterbach der Funke Mediengruppe. Im Herbst seien Massentests nötig. «Neue Studien deuten daraufhin, dass es stärker auf die Häufigkeit der Tests ankommt, in welchen Abständen ich Risikopersonen regelmäßig teste.»
Generell sind in Deutschland inzwischen Corona-Tests in vielen Fällen auch ohne akute Krankheitsanzeichen möglich - besonders in sensiblen Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas. Spahn hatte vor knapp drei Wochen eine Verordnung verkündet, die dafür eine Reihe zusätzlicher Testmöglichkeiten auf Kassenkosten festlegt. Bis dahin gab es Tests auf Kassenkosten in der Regel nur bei Infektionsverdacht - also wenn man Symptome wie Fieber, Husten, Halsschmerzen oder Geruchs- und Geschmacksstörungen hatte.
Nach dem Corona-Ausbruch in einem Tönnies-Fleischbetrieb im Kreis Gütersloh sehen die Behörden in Nordrhein-Westfalen bisher keine Anzeichen dafür, dass sich das Virus in größerem Umfang unter der übrigen Bevölkerung verbreitet hat. Die Fleischindustrie in Nordrhein-Westfalen muss künftig Beschäftigte auf eigene Kosten mindestens zwei Mal pro Woche testen lassen. Die neue Vorgabe gilt ab 1. Juli für Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten, wie das Landesministerium für Arbeit und Gesundheit mitteilte.
Auch in Bayern soll ein Schwerpunkt der Tests auf Schlachthöfen und Fleischverarbeitungsbetrieben liegen. In 33 weiteren ausgewählten Betrieben sollen die Mitarbeiter reihenweise getestet werden. Bei den ersten Reihentestungen bei 51 Schlachthöfen in Bayern waren laut Ministerium 110 Menschen positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden.
dpa/MB