Wurde das Hin und Her um ein Abschiebungsverfahren auf dem Rücken der kleinen Rajana (5) aus Großbissendorf bei Parsberg ausgetragen? Derartige Hinweise liegen TVA exklusiv vor. Lesen Sie hier die ganze Geschichte!
Donnerstagvormittag, Beginn unserer Recherche. Der Pressesprecher der Polizei, Albert Brück, berichtet uns von keinen neuen Erkenntnissen im Fall "Rajana". Seit nun über 48 Stunden ist das kleine Mädchen verschwunden, scheinbar spurlos. Denn die Aussage des Vaters, Ramazan E., war falsch. Die Entführung nur inszeniert, sagt die Polizei.
Die Folge: Der Vater wird in Polizeigewahrsam genommen. Später erlässt ein Ermittlungsrichter Haftbefehl gegen den Tschetschenen, das bedeutet Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr. Aber warum hat E. diese Entführung vorgetäuscht? Das will uns keiner sagen. Aber wir wissen: Die Öffentlichkeit interessiert der Fall brennend. Ein Blick auf die Zahlen auf unserer Facebookseite genügt...
13.05 Uhr: Wir lassen nicht locker. Die Telefone in der TVA-Redaktion glühen. Irgendwer muss uns doch etwas sagen können. Und tatsächlich: Aus dem Umfeld der Familie E. erfahren wir, dass ein Abschiebungsverfahren gegen Ramazan E. und seine Frau, sowie die drei Kinder, der Grund sein könnte. Auch erfahren wir, dass Ramazan E. alleine im November 2014 nach Deutschland kam, seine Frau und die drei Kindern gelangten erst im Januar 2015 über die Grenze. Das erscheint uns als glaubhaft. Wir forschen nach. Steht tatsächlich ein Abschiebungsverfahren im Raum?
Deswegen kommen so viele Tschetschenen nach Deutschland
Jährlich strömen viele Menschen aus Tschetschenien nach Europa und damit auch nach Deutschland. Dabei geht es oft um Asyl, denn auch ein Jahrzehnt nach dem Ende des Krieges mit Russland müssen Viele in ihrem Heimatland mit Repressalien kämpfen. Ein weiterer Grund ist ein Gerücht, das sich im Land hartnäckig hält: Angeblich gäbe es in Deutschland ein "Begrüßungsgeld" in Höhe von 4.000 Euro.
13.18 Uhr: Es ist erst einmal nur eine Spur, mehr nicht, das wissen wir. Erste Anrufe bei den Behörden. Hier beißen wir, ja so kann man es sagen, erst einmal auf blanken Granit. Schön grau und frisch poliert. Beamtendeutsch - ein Hin und Her. Auch wenn wir diese Phrase schon verwendet haben. Ramazan E. entpuppt sich als Allerweltsname. Ernüchterung macht sich in unserer Redaktion breit.
14.20 Uhr: Dank unserer ersten Quelle können wir die Familie von E. eingrenzen. Der Hoffnungsfunke, ja, er lebt wieder. Und ein Sprecher des Verwaltungsgerichts Regensburg setzt noch einen drauf: Die Familie E. hat bei einem ihrer Kinder gegen die Abschiebung im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Polen (von dort aus ist die Familie laut Gericht nach Deutschland eingereist) geklagt.
Sie müssen wissen: Der Asylantrag der Familie E. wurde abgelehnt. Somit sollen die Tschteschenen zurück in ihr Einreiseland geführt werden. Dagegen kann allerdings jeder klagen. Und das hat die Familie offensichtlich gemacht, jedoch ohne Erfolg, wie wir auch erfahren.
Was ist das "Dublin-Verfahren"?
Im Dublinverfahren wird der für die Prüfung eines Asylantrags zuständige Staat festgestellt. Damit wird sichergestellt, dass jeder Asylantrag nur von einem Mitgliedstaat inhaltlich geprüft wird. Wichtig ist hierbei: Der Asylantrag kann nur im Ankunftsland gestellt werden, also zum Beispiel in Polen- nicht aber in Deutschland, wenn man über Polen eingereist ist.
14.30 Uhr: Das Puzzle ist fast perfekt! Wir zählen 1 + 1 zusammen. Der Vater könnte also sein Kind vor den Behörden versteckt haben. Der Vorteil: Deutsche Behörden sehen davon ab, durch Abschiebung eine Flüchtlingsfamilie zu trennen.
17.00 Uhr: Wir sprechen mit der Polizei. Informieren Sie über unsere Ergebnisse. Nicht, weil wir glauben, dass wir der Polizei einen Schritt voraus sind, nein, weil wir nicht wollen, dass die Beamten das aus der Presse erfahren müssen. Denn selbst sagen sie keinem Medienvertreter warum Ramazan E. die Entführung denn vorgetäuscht haben könnte. Die Polizei bedankt sich für diesen Schritt. Und räumt ein, dass auch die Polizei einmal Fehler macht. Man sei eben auch nur ein Mensch. Was der hochrangige Vertreter des Polizeipräsidiums der Oberpfalz damit meint, sagt er uns nicht. Es liegt aber nahe, dass er damit auf die Aussage von Kriminaldirektor Franz Schimpel von der Pressekonferenz am Dienstag anspielt.
Schimpel hatte da nämlich gesagt, dass das Auffinden von Rajana wohl kurz bevorstehe und es dem Mädchen gut gehe. Fakt ist allerdings: Rajana ist noch immer nicht wieder aufgetaucht und die Polizei hatte auch keinen Kontakt mit ihr. Deswegen fehlt uns noch ein Stück in unserem "Rajana-Puzzle": Nämlich Rajana selbst. Und egal was in diesem Fall alles vorfiel: Wir hoffen, dass das Mädchen bald wohlbehalten nach Hause kommt.
Wir haben uns in Parsberg umgehört: Was halten die Anwohner von den neuen Entwicklungen? Einige zeigen jedenfalls Verständnis für das vermeintliche Vorgehen des inhaftierten Vaters:
Als wir heute noch einmal mit Anwohnern und Asylbewerbern in Parsberg sprechen, platzt eine weitere, sprichwörtliche Bombe: Rajanas Mutter und die zwei Geschwister des kleinen Mädchens hätten mittlerweile auch die Stadt verlassen, so die Anwohner vor Ort. Wo sie sich im Moment aufhalten, ist unklar. Die Asylbewerber vor Ort glauben aber, dass nur der bereits inhaftierte Vater den Aufenthaltsort der fünfjährigen Rajana kennt.
MK/MF